Was ist Kinderfilm? | | von Philipp Budweg

Kinder begeistern

Aktuell laufen der dritte „Rico & Oskar“-Film und „Smaragdgrün“, der Abschlussfilm der Edelsteintrilogie, im Kino. Damit endet für uns eine mehrjährige Arbeit an zwei Filmreihen. Ein geeigneter Zeitpunkt, um innezuhalten und die Erfahrungen auszuwerten.

Mit „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ war ich im Rahmen der Schulkinowochen von Vision Kino bundesweit viel unterwegs und hatte die Gelegenheit, mich nach den Vorführungen mit Schulklassen auszutauschen. Dabei habe ich immer wieder erlebt, dass zehn- bis zwölfjährige Mädchen begeistert waren vom Jungsfilm „Rico & Oskar“ und dass ich bei der Frage, was Lieblingsfilm denn sonst noch so produziert, mit der bloßen Erwähnung „Rubinrot“ entzücktes Aufkreischen provozieren konnte. Der Fantasyfilm über zwei zeitreisende Teenager war also bei derselben Zielgruppe genauso angesagt. Kinder lassen sich für ganz unterschiedliche Geschichten begeistern.

Bei der „Rico & Oskar“-Reihe hat sich einmal mehr gezeigt, dass ein aufwändiges Casting für die Besetzung der beiden Kinderhauptrollen notwendig ist, um am Ende „die Richtigen“ zu finden. Heute können wir uns Rico und Oskar nur noch verkörpert von Anton Petzold und Juri Winkler vorstellen. Welche Kinder einen ganzen Film tragen können und als Sympathieträger funktionieren, ist eine der wichtigsten Entscheidungen im Laufe einer Kinderfilmproduktion. Und wenn sich bei den ersten Mustern bestätigt, dass diese Ausnahmetalente einfach großartig vor der Kamera sind, ist die Freude im Team jedes Mal wieder überwältigend. Der Moment der Wahrheit zeigt: „Es funktioniert.“

Wie bei der „Rico & Oskar“-Trilogie nach den Romanen von Andreas Steinhöfel haben auch die enormen Buchverkäufe der „Liebe geht durch alle Zeiten“-Romane von Kerstin Gier zur Bekanntheit beigetragen. Die erste Verfilmung mit den damals noch unbekannten Jungschauspielern Maria Ehrich und Jannis Niewöhner wurden von den Fans ungeduldig herbeigesehnt, bei der „Rubinrot“-Kinotour wurden sie wie Rockstars gefeiert. Dieses begeisterungsfähige Publikum führte zu den notwendigen Kinobesucherzahlen, um die Verfilmung der Trilogie fortsetzen zu können.

Eine auflagenstarke Buchvorlage, vielleicht sogar eine Schullektüre, für eine Verfilmung heranzuziehen, ist sicherlich eine strategische Entscheidung, um gegenüber Verleihern und Förderern durch die Bekanntheit der „Marke“ ein potenzielles Publikum mitzubringen. Handelt es sich gar um ein Lieblingsbuch, das Kinder selbst lesen oder von den Eltern vorgelesen bekommen, dann gibt es aber durchaus eine Skepsis, ob die Verfilmung wirklich so gelungen ist, wie das eigene Kopfkino bereits die Bilder vorgegeben hat. Am Ende muss der Film in seiner besonderen Machart überzeugen und sein Publikum aufs Neue für die bereits gelesene Geschichte begeistern.

Kinderfilme nach einem originären Stoff zu entwickeln, wurde durch die Initiative „Der besondere Kinderfilm“ innerhalb der Branche enorm in den Fokus gestellt. Auch ich habe für den ersten Aufruf mit Drehbuchautorin Natja Brunckhorst eine Geschichte entwickelt. Mit viel Humor erzählt der Abenteuerfilm „Alpenbrennen“ über den Aufstieg zum Gipfel und das Überwinden aller Hindernisse. Die Jury hatte sich gegen unseren Stoff entschieden. Eine Absage ist immer ärgerlich, weckt aber die „Jetzt erst recht“-Motivation. Bei der Südtiroler Filmförderung haben wir mit unserem Alpenstoff Unterstützung gefunden, am 6. Juli endeten die Dreharbeiten in Berlin und Südtirol.

„Alpenbrennen“ lebt neben der emotionalen Geschichte zwischen zwei Jugendlichen von den imposanten Landschaftsaufnahmen und ist für die große Leinwand gemacht. Trotzdem muss nicht jedes Projekt unbedingt ins Kino. Manche Kindergeschichten eignen sich stattdessen ideal für einen Fernsehfilm oder sollten als Fernsehserie erzählt werden. Es ist an der Zeit, dass auch andere Formate und Geschichten als nur der Kinderkinofilm oder der Märchenfilm von den Sendern in Auftrag gegeben werden. Das Pitching der Absolventen der Akademie für Kindermedien, das jedes Jahr im Rahmen des Kinder-Medien-Festivals „Goldener Spatz“ stattfindet, zeigt, dass es einfach zu viele (ungenutzte) Talente gibt, die besondere Kinderfilme schreiben für ein junges Publikum, das offen ist für neue Geschichten.

Philipp Budweg, Jahrgang 1972, ist Produzent der Lieblingsfilm GmbH und seit 2012 Mitglied der Deutschen und Europäischen Filmakademie. Seit 2001 hat er zahlreiche Stoffe für Kinder und Jugendliche produziert, darunter „Blöde Mütze“ (2006), „Wintertochter“ (2010), die Edelstein-Trilogie „Rubinrot“, „Saphirblau“ und „Smaragdgrün“ (2013-2016) sowie die „Rico & Oskar“-Trilogie (2014-2016). Der Kinderfilmstoff „Break the Ballet“ von Vera Kissel wurde soeben im Rahmen der Initiative „Der besondere Kinderfilm“ für eine Drehbuchförderung ausgewählt.

Dieser Beitrag erschien zum ersten Mal in der Filmdienst-Beilage "Kinder- und Jugendfilm-Korrespondenz" (3/2016). Die Wiedergabe des Artikels an dieser Stelle erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Filmdienst.

 

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