Ich sehe was 2025-9: Filme gegen Rechts!
Vom Skinhead zum Posterboy
Die Darstellung von Rechten im Jugendfilm
von Holger Twele
Skinheads haben lange Zeit das Bild des jungen Rechtsextremisten geprägt – sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch in Filmproduktionen mit jugendlichen Protagonist*innen. Mit der Entwicklung der Neuen Rechten hat sich dies geändert, worauf mittlerweile auch neuere Jugendfilme reagiert haben. Ein Rückblick auf die Darstellung junger Rechtsextremist*innen in Filmen der vergangenen 25 Jahre.

Karl ist klug und gebildet, ausgesprochen nett, gut gekleidet mit ordentlicher Frisur, sehr eloquent und charismatisch. Vor allem jedoch wirkt er der jungen Maxi gegenüber, die bei einem Bombenanschlag in Berlin gerade einen Teil ihrer Familie verloren hat, einfühlsam, mitfühlend und hilfsbereit. Nicht im Traum würde sie vermuten, dass Karl der Drahtzieher dieses Attentats ist, ein Anführer der rechten Szene mit guten internationalen Kontakten zu Gleichgesinnten in Prag und Paris. Deren Ziel ist es, die Gesellschaft zu spalten und umzustürzen.
Mit „Je suis Karl“ (2021) haben Regisseur Christian Schwochow und Drehbuchautor Thomas Wendrich einen neuen Typus des Rechten filmisch in Szene gesetzt, der nichts mehr mit den Vorstellungen der Glatzköpfigen mit Springerstiefeln und Bomberjacke zu tun hat. Selbst die Definition dessen, was man unter Rechten und Rechtsextremen versteht, ist nicht eindeutig. Immerhin auf den Nenner bringen lässt sich, dass einem Dossier der bpb zufolge „das zentrale Element rechtsextremer Einstellungen die Ideologie der Ungleichwertigkeit ist“. Diese umfasst mehrere Elemente wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus und nutzt die Urangst vor dem Fremden für eigene Zwecke.
Sieht man von erratischen Filmen ab, darunter dem 1982 von Alan Clarke gedrehten Fernsehfilm „Made in Britain“ über jugendliche rassistische Skinheads oder „Romper Stomper“ (Geoffrey Wright, 1992) aus Australien über eine Bande von jungen rassistischen Neonazis, der aufgrund seiner Gewaltdarstellungen in Deutschland ein Jugendverbot erhielt, setzte eine halbwegs kontinuierliche filmische Auseinandersetzung mit der Thematik im Jugendfilm erst kurz vor der Jahrtausendwende ein – mit einem großen Paukenschlag aus den USA und einem etwas kleineren aus Deutschland.
Läuterungsgeschichten und Erklärungsversuche
Wie Clarkes Film ist „American History X“ (Tony Kaye, USA 1998) in der rechten Skinhead-Szene angesiedelt. Inspiriert wurde die Geschichte von Greg Whithrows Erlebnissen, der sich der ultrarechten „White Arian Resistance“ angeschlossen und später von ihr losgesagt hatte. Um dem drohenden Rausschmiss aus der Schule zu entgehen, soll der 16-jährige Skinhead Danny eine Strafarbeit über seinen älteren Bruder Derek schreiben und warum dieser zur Ikone der rechtsextremen White-Power-Bewegung aufgestiegen ist. Derek wurde wegen dreifachen Mordes an Schwarzen zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Inzwischen hatte sich Danny ebenfalls der Neonazi-Szene angeschlossen, da er seinen Bruder als großes Vorbild sieht. Noch weiß er nicht, dass sich Derek mit der Szene gebrochen hat und nach seiner Entlassung alles daran setzt, den kleinen Bruder aus den Fängen der Rechten zu befreien.
Dem kommerziell auch in Deutschland erfolgreichen „Läuterungsfilm“ wurde vorgeworfen, er gebe den Ansichten und Parolen der rechten Szene zu viel Raum, zumal er etliche Zitate ihrer Anführer nutzt. Ein oft wiederkehrender Vorwurf an thematisch ähnliche Filme, gerade wenn diese nicht plakativ, sondern argumentativ vorgegangen sind. Festzuhalten bleibt, dass sowohl die demokratische Mitte als auch die ultrarechte Szene den Film später für sich vereinnahmten.
Nur ein Jahr später gab es in Deutschland mit „Oi! Warning“ (Dominik und Benjamin Reding, 1999) einen ganz anders strukturierten Film aus der Skinhead-Szene, der große Beachtung in den Kinos fand und ebenfalls mit einem Rausschmiss aus der Schule beginnt. Janosch kommt aus einem spießigen Elternhaus in Süddeutschland. Er flüchtet zu seinem einstigen Schulkameraden Koma nach Dortmund, der als Kickboxer in der lokalen Skinhead-Szene angesehen ist und durch sein Macho-Gehabe von Janosch bewundert wird. Die Läuterung von Janosch setzt ein, als er den Punk Zottel kennenlernt und sich zu ihm hingezogen fühlt. Das bleibt nicht ohne dramatische Folgen für alle Beteiligten. Was den Film neben seiner Schwarzweiß-Ästhetik auszeichnet, sind seine im Rückblick vor allem historisch interessanten Bemühen um Erklärungsversuche, warum sich Jugendliche damals sowohl von der Skinhead-Szene als auch von der Punk-Szene unmittelbar angesprochen fühlten.

Pädagogische Intentionen, soziologische Beobachtungen
Auch in den beiden folgenden Filmen stehen die Themen Freundschaft zwischen zwei Jungen sowie Gruppenzugehörigkeit vor dem Hintergrund der Neonazi-Szene im Mittelpunkt. Der Fokus liegt dabei auf Ostdeutschland, verknüpft mit der (eher pädagogischen) Fragestellung, weshalb Jugendliche in die rechte Szene abdriften und inwieweit sie sich davon wieder lösen können.
In „Führer Ex“ (Winfried Bonengel, 2002) landen die beiden ungleichen Freunde Heiko und Tommy nach einem Fluchtversuch aus der DDR im Gefängnis. Dort wird Heiko von einem Handlanger der Staatsorgane vergewaltigt, während Tommy sich einer Gruppe von Neonazis anschließt. Nach ihrer Entlassung entwickelt sich Heiko aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse im Knast im wiedervereinigten Deutschland zum Anführer der Neonazi-Szene, wobei es Tommy dann gelingt, einen Sinneswandel in ihm zu bewirken. Die Figur des Heiko beruht auf den Erfahrungen von Ingo Hasselbach, einer Leitfigur der Neonazis, der aus der Szene ausgestiegen ist. Im Rückblick machte es sich der Film vielleicht zu einfach, Heikos Sympathie für die Rechten allein mit einer strikten Ablehnung des DDR-Regimes und ihres verordneten Antifaschismus zu erklären. Gleichwohl wird dieses Argument bis heute für Erklärungsversuche herangezogen, warum es gerade in Ostdeutschland so viele Anhänger*innen der rechten Szene gibt.
In „Kombat Sechzehn“ (Mirko Borscht, 2006) zieht der 16-jährige Georg, ein talentierter Taekwondo-Sportler, durch den Arbeitsplatzwechsel des Vaters von Frankfurt am Main nach Frankfurt an der Oder um. In der neuen Schule gerät Georg unter den Einfluss von Thomas, dem Kopf einer rechtsextremen Schülergruppe, der sich ebenfalls für den Kampfsport interessiert. Aus den beiden Gegnern werden Freunde, wobei Georg immer mehr in den Sog der Gruppe gerät, die ihn aber als Verräter betrachtet. Als sich Thomas weigert, Georg mit dem berüchtigten Bordstein-Bashing zu bestrafen, wird er von seinen einstigen Freunden brutal zusammengeschlagen. Gefühle des Ausgeschlossenseins und der Orientierungslosigkeit und nicht etwa politische Überzeugungen, Ideologien oder Agitation sind hier der bestimmende Faktor, warum sich Georg den Rechtsextremen anschließt, wobei am Ende die Freundschaft zwischen den beiden Jungen über die Kameradschaft in der Gruppe siegt.
Keinesfalls darf durch die eben genannten Filme der falsche Eindruck entstehen, das Erstarken der Rechten sei vorwiegend ein ostdeutsches Problem. Gut daher, dass Shane Meadows mit einer Serie zeigte, dass das ein europäisches und internationales Phänomen ist. Mit seinem Film „This is England“ (2007) verwies er sowohl auf die vielfältigen, oft auch länderspezifischen Ursachen als auch darauf, dass sich selbst die Jugendbewegung der kahlköpfigen Skinheads nicht über einen Kamm scheren ließ. Einige von ihnen strebten seit den 1980er-Jahren dem rechten Lager zu, andere blieben links. Im Jahr 1983 findet der zwölfjährige Shaun, dessen Vater im Falklandkrieg gefallen ist, die lange entbehrte Anerkennung nur bei älteren Skinheads. Diese driften mit ihm nach rechts ab, nachdem ihr früherer Anführer aus dem Gefängnis entlassen wird. Er schürt in der Gruppe den Hass auf Ausländer*innen und scheut auch vor brutaler Gewalt nicht zurück. Shaun nimmt ihn sich zum Vorbild, denn er versteht seine Trauer um den verstorbenen Vater. Angespornt vom Erfolg dieses Films machte sich Meadows 2010 und 2015 mit den gleichen Hauptdarsteller*innen an eine mehrteilige TV-Fortsetzung, wobei er vor allem die Parallelen zur damaligen britischen Gegenwart mit hoher Arbeitslosigkeit und mangelnden Perspektiven der Jugendlichen hervorhebt und sein Augenmerk mehr auf die Entwicklung der anderen Figuren in der Gruppe lenkt.
Ein Thema für eine Komödie?
Nach dem großen Erfolg seines Kurzfilms „Leroy räumt auf“ wagte sich Armin Völckers mit „Leroy“ (2007) und gleicher Besetzung daran, eine Komödie in Spielfilmlänge über Neonazis und Fremdenhass zu drehen. Der in Berlin geborene 17-jährige Leroy erfüllt mit seinen Eltern – sein Vater ist schwarz, seine Mutter weiß – das klassische Feindbild der Neonazis jener Zeit. Als er sich ausgerechnet in seine Mitschülerin Eva verliebt, stößt dies auf heftigen Widerstand in Evas Familie. Denn Evas Eltern sind kommunalpolitisch aktiv und extrem rechts orientiert. Ihre fünf glatzköpfigen Brüder übertreffen sich an Einfältigkeit, ganz im Unterschied zu Eva. Mit viel Situationskomik und witzigen Einfällen gelang es Völkers, die Mut machende Liebesgeschichte des jungen Paares äußerst unterhaltsam zu erzählen. Damals konnte er freilich noch nicht ahnen, dass die von ihm benutzten Klischees sehr bald der Vergangenheit angehören würden. Es bleibt ein ehrenwerter Versuch, der rechten Szene mit Lachen beizukommen. Spätestens mit „Je suis Karl“ würde ein solches Lachen allerdings im Halse stecken bleiben.

Aufarbeitungsversuche
Die folgenden Filme versuchen zwar, aktuelle Trends aufzugreifen, führen allerdings zurück in die Vergangenheit und sind auch in Bezug auf die Darstellung der rechten Szene rückwärts gewandt. Ihre Bedeutung schmälert das in keiner Weise, zumal alle diese Filme entscheidend zur öffentlichen Diskussion beigetragen haben. Das gilt insbesondere für „Kriegerin“ (David Wnendt, 2011). Für seinen Abschlussfilm an der Filmhochschule hatte der Regisseur monatelang in Ostdeutschland recherchiert und Interviews mit Rechten geführt. Er fand damals heraus, dass viele von ihnen durch eine rechtsnational gesinnte ältere Generation stark beeinflusst wurden, die ihnen in Zeiten der Entbehrung etwas gab, was andere nicht vermochten: Anerkennung, Zuneigung und das Bestreben, sich um jeden Preis durchzukämpfen.
Exakt diesem Modell entspricht seine Hauptfigur, die 20-jährige Marisa aus der mecklenburgischen Provinz. Stark von ihrem geliebten Großvater beeinflusst, einem überzeugten Altnazi, hasst sie alle Ausländer*innen, Schwarze, Jüdinnen und Juden und Politiker*innen, die sich für diese Gruppen einsetzen – und sie teilt diese Ansichten mit ihrem rechtsextremen Macho-Freund. Gleichwohl geraten ihre festen Überzeugungen ins Wanken, als sie mit voller Absicht einen minderjährigen afghanischen Geflüchteten mit dem Auto umfährt. Er überlebt und sie wird ihn später genauer kennen- und schätzen lernen. Damit gerät sie in Konflikt mit der 15-jährigen Svenja aus bürgerlichen Verhältnissen, die sich von der rechten Szene angezogen fühlt, weil sie die Ideologie ihres DDR-kommunistisch überzeugten Vaters nicht mehr ertragen kann. Alina Levshin verleiht der ambivalenten Figur von Marisa eine Tiefe und Menschlichkeit, die den Film bis heute zu einem der wichtigsten Beiträge zur Thematik machen, selbst wenn sich einige Motive der jungen rechten Generation längst gewandelt haben und sich nicht mehr alles mit Verunsicherung, Verlust an Werten und Desorientierung in der nunmehr 35-jährigen Nachwendezeit begründen lässt.
Weitere Filme wagten sich im Rückblick an die Aufarbeitung rechtsextremer Übergriffe und Straftaten. Das hat notwendigerweise zur Folge, dass die Rechten und Neonazis so dargestellt werden wie sie einst gewesen sein mögen und weniger so, wie sie sich weiterentwickelt haben. Ein Jahr nach der Gründung der AfD erinnert Burhan Qurbani 2014 in „Wir sind jung. Wir sind stark.“ an die rechtsradikalen Ausschreitungen vom 24. August 1992 in Rostock- Lichtenhagen. Damals stürmte ein wütender Mob eine zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber*innen in der Plattenbausiedlung, was auch Bürger*innen aus der Mitte der Gesellschaft billigend in Kauf nahmen.

In „Und morgen die ganze Welt“ (2019) stellt Julia von Heinz, die selbst aus der Antifa-Bewegung kommt, die nicht nur moralische Frage, ob Gewalt als ein politisches Mittel in der heutigen Zeit legitim sei, etwa wenn die Antifa auf militante Aktionen von rechts ebenfalls mit Gewalt reagiert. Diese Geschichte ist zwar in der Gegenwart des Jahres 2019 verankert, aber auch da wirkt die Zeichnung der Antagonist*innen im Vergleich zu Schwochows Film eher rückwärtsgewandt. So bleibt zu hoffen, dass in Zukunft weitere Filmschaffende noch oder wieder den Mut haben, sich in Filmproduktionen mit aktuellen Entwicklungen aus dem rechten Spektrum auseinanderzusetzen, auch und gerade weil diese nicht mehr so leicht einzuordnen sind und in ihrer Darstellung nichts mehr so ist, wie es einmal war.