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Hintergrund | | von Reinhard Kleber

Ein Filmfreund für die Bibliotheken

Das Video-on-Demand-Portal "Filmfriend"

Die Plattform filmfriend.de ist das erste Video-on-Demand-Portal für Bibliotheken, durch das diese ihr Filmangebot zeitgemäß erweitern können. Ein Schwerpunkt: Das sorgfältig kuratierte Kinder- und Jugendfilmprogramm, in dem sich neben populären Erfolgsfilmen auch Geheimtipps finden. Aber auch „live‟ vor Ort will filmfriend.de in Zukunft Filmkultur in Bibliotheken bringen.

"Antboy" auf filmfriend.de

Es muss nicht immer Netflix, Amazon Prime, Sky und Co. sein. Wer gute Kinder- und Jugendfilme sucht, findet in dem neuartigen Portal filmfriend.de eine attraktive Alternative zu kommerziellen Streamingdiensten, den Arthouse-orientierten Video-on-Demand-Angeboten und den Mediatheken der Fernsehsender. Das Besondere daran: filmfriend.de macht sein ambitioniertes filmkulturelles Programm nur für Mitglieder von Bibliotheken verfügbar, die sich dem Service angeschlossen haben.

Als Nutzer einer öffentlichen Bibliothek kann man die Filme kostenfrei über die Webseite des Portals, die Homepage der teilnehmenden Bibliothek oder die App abrufen. Die Nutzer müssen sich nur mit Ausweisnummer und Passwort anmelden. Das Angebot reicht von deutschen Filmklassikern über erfolgreiche internationale Arthouse-Filme, TV- und Kinodokumentationen, Kurzfilme und Serien bis zu Kinder- und Jugendfilmen. Die Filme stehen überwiegend in Full-HD-Auflösung zur Verfügung. Bisher werden rund 1600 Filme und 400 Serienfolgen angeboten, jede Woche kommen im Schnitt vier Titel dazu, im Jahr also etwa 300. Das Angebot an Kinder- und Jugendfilmen entspricht etwa zehn Prozent des filmfriend-Gesamtangebots, aktuell also etwa 200 sorgfältig ausgewählten Kinder- und Jugendfilmen.

Mit einer kuratierten Auswahl Orientierung bieten

Großen Wert legt das Portal auf eine strenge Qualitätsauswahl, eine glaubwürdige Vermittlung und hilfreiche Einordnung. „Wir wollen nicht zuletzt eine Heimstatt für gute Filme sein, die man sonst nirgendwo öffentlich sehen kann‟, sagt Horst Peter Koll, der die Kinder-, Jugend- und Familienfilme kuratiert. Zur Orientierungshilfe gibt er auch Filmtipps und trägt Kollektionen zusammen. „Solche speziellen Kollektionen erleichtern den Überblick und somit die individuelle Entscheidung für einen Film.‟

Zuletzt hat Koll etwa exklusive Kollektionen mit Kinderfilmen der Regisseure Arend Agthe und Bernd Sahling zusammengestellt, so dass nun Agthes Klassiker „Flussfahrt mit Huhn‟ (1984), „Küken für Kairo‟ (1985) und „Karakum‟ (1993) sowie Sahlings „Die Blindgänger‟ (2004), aber auch neuere Werke wie „Rettet Raffi!‟ (Arend Agthe, 2015) und „Kopfüber‟ (Bernd Sahling, 2013) verfügbar sind. Aktuell folgen unter anderem weitere Filme von Norbert Lechner sowie eine Kollektion mit zehn Highlights des Kinder- und Jugendfilmfestivals Schlingel.

Auf der Suche nach passenden Inhalten können junge Nutzer*innen die Auswahl nach Genre-Kriterien wie Abenteuer, Fantasy, Humor oder Schule eingrenzen. Ergänzt wird das Filmangebot durch biographische Zusatzinfos, etwa zu Regisseur und Drehbuchautor Markus Dietrich („Sputnik‟) oder Schauspieler Horst Buder („König Drosselbart‟).

Besonders stolz ist Koll darauf, den afrikanischen Kinderfilm „Supa Modo‟ anbieten zu können. „Der Film ist ein kleines Wunder und eine der schönsten Liebeserklärungen an die Zauberkraft des Kinos: Er handelt vom Sterben eines neunjährigen, an Krebs erkrankten Mädchens in Kenia und entwickelt sich doch zu einer temperamentvollen Geschichte voller Lebensmut, Mitmenschlichkeit und Solidarität.‟ Nach Angaben Kolls schauen „zwar bisher leider nur wenige den Film, die sind aber durchweg begeistert‟. Erwartungsgemäß gehören dagegen eingängigere Filmreihen wie „Bibi und Tina‟ (Detlev Buck, 2014) oder „Bibi Blocksberg‟ (Hermine Huntgeburth, 2002) zu den Rennern, aber auch „Ente gut!‟ (Norbert Lechner, 2016) aus der Reihe „Der besondere Kinderfilm‟ sowie „Lola auf der Erbse“ (Thomas Heinemann, 2014) sind derzeit erfolgreich.

"Supa Modo" (c) One Fine Day Films

Ein breitenwirksames Angebot ohne große Barrieren

Das Portal wird von dem Potsdamer Unternehmen filmwerte GmbH betrieben und startete im Juli 2017 mit dem Verbund öffentlicher Bibliotheken Berlins. Im Dezember 2017 wurde es im Rahmen des Innovationspreises Berlin Brandenburg mit dem Sonderpreis für Soziale Innovationen ausgezeichnet. Andreas Vogel, filmwerte-Geschäftsführer, freut sich über die Resonanz der Büchereien: „Inzwischen bieten rund 150 Büchereien in Deutschland und zehn in der Schweiz das Portal ihren Nutzerinnen und Nutzern an – Tendenz steigend. Zum 1. Juni soll dann mit der Stadtbibliothek Linz die erste Bibliothek in Österreich dazustoßen.“

Da auch große Bibliotheken und Netzwerke beteiligt sind, lässt sich hochrechnen, dass das Portal knapp zwei Millionen potenzielle Zuschauer*innen erreicht. Wie viele Kunden das Angebot tatsächlich nutzen, lässt sich an den genutzten Filmminuten ablesen. „An einem der letzten Samstage haben rund 3000 Nutzer zusammen 140.000 Minuten Film abgerufen‟, so Vogel.

Das Portal ist werbefrei, erhebt keine personenbezogene Daten und ist vielseitig nutzbar, wie die Kantonsbibliothek Thurgau auf ihrer Homepage hervorhebt: „Die Filme sind rund um die Uhr verfügbar und lassen sich im Zug oder Café auf diversen mobilen Geräten streamen. Zu Hause können sie auf dem PC oder Mac oder noch bequemer auf dem Fernseher angeschaut werden. Für letzteres braucht es lediglich ein kleines Zusatzgerät wie Chromecast oder Apple TV. Oder man verbindet den Laptop einfach via HDMI-Kabel mit dem Fernseher.‟

Jugendschutz wird mitgedacht

Die Vorgaben des Jugendschutzes erfüllt das Portal elegant über den Mitgliedsausweis bei der Bibliothek. Wer sich dort angemeldet hat, muss das Geburtsdatum angeben. Beim Einloggen auf der Plattform wird automatisch die Altersfreigabe der FSK geprüft. „Wenn ein Zehnjähriger zum Beispiel einen Film mit FSK 16 abrufen will, erhält er keinen Zugang‟, so Koll. Im Zuge einer engen Kooperation mit dem Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum in Remscheid übernimmt das Portal zudem dessen pädagogisch fundierte Altersempfehlungen.

Filmkultur in Bibliotheken, auch über das Streaming hinaus

"Dschermeni" (c) ZDF/Conny Klein

Die teilnehmenden Bibliotheken profitieren nicht nur, weil sie als Alternative zu herkömmlichen, aber nicht mehr zukunftsfähigen physischen Trägermedien wie DVD oder Blu-ray ihren Kunden nun ein umfangreiches digitales Filmpaket anbieten können. Für sie eröffnet filmfriend.de auch die Chance, sich stärker als zuvor als „ambitionierter und vitaler Kulturort zu präsentieren‟. Angedacht ist, dass das Portal die Bibliotheken mittelfristig unterstützt, Filmkultur in die Häuser zu holen, etwa zu Filmvorführungen mit Begleitgesprächen.

Ein derartiges Pilotprojekt zu der TV-Serie „Dschermeni‟ nach einer Vorlage von Andreas Steinhöfel in Köln fiel jedoch jüngst der Corona-Pandemie zum Opfer. „Wir hatten bereits zwei Gesamtschulklassen mit Zehn- und Elfjährigen in die Stadtteilbibliothek eingeladen, um mit ihnen über die Serie zu diskutieren.‟ Bisher funktioniere diese Strategie der Vernetzung erst in Einzelfällen, räumt Koll ein. „Das ist eine Praxis, die sich noch einspielen muss. Außerdem muss man noch viel Aufklärungsarbeit in den Bibliotheken machen, denen es an Erfahrungswerten in diesem Feld mangelt.‟

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