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Hintergrund | | von Katrin Hoffmann

Der Tod feiert das Leben

Kinderfilme über den Tod und das Sterben

Kinderfilme über den Tod und das Sterben müssen weder schwer noch besonders dramatisch sein. In den vergangenen Jahren sind einige Produktionen entstanden – darunter viele Animationsfilme unterschiedlichster Techniken –, die auf originelle Weise über das Jenseits erzählen, Angebote zum Philosophieren bieten und nicht den Schmerz, sondern vielmehr das Glück betonen.

Filmbild aus "Im Himmel ist auch Platz für Mäuse"
"Im Himmel ist auch Platz für Mäuse" (c) Landfilm

Der Tod ist unser ständiger Begleiter, man muss ihn nicht fürchten, denn schließlich gehört das Sterben zum Leben dazu. Das wurde schon jungen Kindern in dem wunderbaren Kurzfilm „Ente, Tod und Tulpe“ (Matthias Bruhn, 2010) nach dem Bilderbuch von Wolf Erlbruch mit leichtem Ton mit auf den Weg gegeben. Der Tod, ein freundliches Skelett mit kariertem Mantel, ist schon die ganze Zeit in der Nähe der Ente, aber erst als sie schwächer wird, nimmt sie ihn wahr. Während der Tod geduldig auf das Ende der Ente wartet, führen sie freundschaftliche Gespräche miteinander, dann gibt er ihr für die finale letzte Reise eine schwarze Tulpe mit auf den Weg. „Der Tod war fast ein wenig betrübt, aber so war das Leben“, erklärt der Sprecher, nachdem die Arbeit des Todes vollendet ist.

Neuere Langfilme trauen sich auf ganz unterschiedliche Weise an das Themenfeld Tod und Sterben heran, um es einem jungen Publikum näher zu bringen. Denn ohne Frage ist der Tod auch schon für die Jüngsten ein Thema, das sie beschäftigt und ihnen jederzeit begegnen kann, sei es, dass ein geliebtes Haustier von ihnen geht, Angehörige schwer erkranken oder sterben. Dies kann in den vergangenen Jahren der Pandemie eventuell sogar häufiger vorgekommen sein.

Es soll hier nicht darum gehen, wie Kinder mit Tod und Trauer umgehen, sondern darum, wie Kinderfilme versuchen, dem Thema Tod und Sterben die Dramatik zu nehmen und wie sie sich auf verschiedene Art und Weise damit auseinandersetzen, was uns nach dem Ableben erwarten könnte. Auch die Ente stellt Fragen wie „Gibt es eine Hölle?“, die ihr aber nicht einmal der Tod beantworten kann.

Originell erzählte Geschichten über Glück und Vergänglichkeit

„Nur ein Tag“ (Martin Baltscheit, 2017) ist überraschend originell als Realfilm umgesetzt, in dem Schauspieler*innen die drei handelnden Tiere spielen. Wie der Titel schon verrät, geht es um nur einen einzigen Tag – und zwar den einer Eintagsfliege. Fuchs und Wildschwein wissen: Wenn sie sich mit der im Morgengrauen schlüpfenden Eintagsfliege anfreunden, werden sie am Abend ganz unglücklich sein, wenn sie von ihnen geht. Aber sich deshalb nicht mit ihr bekannt zu machen, wäre ein verlorener Tag des Glücks. Die Trauer nach dem Ableben der Fliege gehört eben ganz unbedingt zu den zentralen Emotionen im Leben dazu. So feiern die Drei im Angesicht des Todes einen einzigartig fröhlichen Tag, bevor die Eintagsfliege am Abend stirbt und Fuchs und Wildschwein zurücklässt. Aber die beiden freuen sich schon auf die Larven, die die Freundin im Weiher abgelegt hat. Das beschreibt den Zyklus der Natur und bald schließt sich der Kreis mit der Entstehung neuen Lebens.

Mit dem unausweichlichen Ende der Hündin Marona beginnt unterdessen der Animationsfilm „Die fabelhafte Reise der Marona“ (Anca Damian, 2019). Marona wird überfahren und denkt im Moment des Ablebens über ihre Jahre bei verschiedenen Menschen nach. Der Film ist eine Rückbesinnung auf schöne und auch weniger schöne Momente in Maronas Hundeexistenz. Aber das Leben hat sich gelohnt und sie blickt zurück auf ein erfülltes Dasein. Die drei Menschen, von denen sie aufgenommen wurde, haben sie geliebt, und zum Schluss, auf dem Asphalt liegend, ist ihr letztes Frauchen bei ihr. Der in prächtigen Farben und außergewöhnlichem Animationsstil inszenierte Film tröstet über das Schlimmste hinweg, weil die sterbende Hündin innehält und versöhnlich auf ihre gelebten Jahre zurückblickt.

Filmbild aus Die fabelhafte Reise der Marona
"Die fabelhafte Reise der Marona" (c) Luftkind

Unterschiedliche Jenseitsvorstellungen und zweite Chancen

So plötzlich aus dem Leben gerissen wird auch Joe in dem Pixar-Film „Soul“ (Pete Docter, 2020). Der Jazzpianist hat sich endlich für den lang ersehnten Gig mit einer berühmten Jazz-Musikerin qualifiziert, da stürzt er auf dem Heimweg in einen Gully und landet im Zwischenreich zwischen Leben und Tod. Da er sich nicht auf der Treppe einreiht, die nach oben zum endgültigen Ableben führt, sondern in die Gegenrichtung rennt, kommt er dorthin, wo die neuen Seelen für das Leben auf der Erde vorbereitet werden. Er wird Mentor der unglücklichen Seele Nummer 22, die sich dem Erdenleben bisher konsequent verweigert hat. Indem Joe sie fit macht und ihr die Freude am Leben mehr unfreiwillig als beabsichtigt zeigt, verdient er sich einen neuen Start in der realen Welt und sitzt am Abend tatsächlich am Piano, um dort zu brillieren, während sich gleichzeitig Nummer 22 endlich in ihr Dasein auf Erden stürzt. Soul ist nicht nur die Bezeichnung einer Musikrichtung, sondern heißt ganz assoziativ auch so viel wie Seele oder Geist. Der Film nutzt die unterschiedlichsten Animationsstile, um die gemeinsame Reise von Joe und Nummer 22 erfahrbar zu machen. Es offenbaren sich Räume, die eine imaginäre Vorstellung vom Nichts zu bebildern suchen und uns hineinziehen in die Leere, die womöglich nach dem Tod besteht – so könnte es sich anfühlen, so könnte es aussehen, wenn unsere Seele sich vom Körper gelöst hat. Aber es ist nur eine Improvisation wie der Jazz, ein Gedankenspiel.

Sehr konkret sieht das Jenseits in „Im Himmel ist auch Platz für Mäuse“ (Denisa Grimmová, Jan Bubeníček, 2021) aus. Schon der Titel beschreibt, in welchem Universum sich die Geschichte von Fuchs Weißbauch und Maus Dolly abspielt. Das klassische Thema der Wiedergeburt wird in diesem originellen Puppentrickfilm ganz konsequent durchgespielt. Nach einem Autounfall landen die beiden verfeindeten jungen Tiere im Tierhimmel und Dolly beschuldigt Weißbauch zunächst unaufhörlich, dass er sie gefressen habe, was dieser allerdings ebenso konsequent bestreitet. Der Himmel ist das Paradies par excellence. Die Tiere haben hier alles, was sie brauchen, können in Pools baden, durch Wälder spazieren oder anderen Vergnügungen nachgehen. Vor allem aber gibt es hier keine Fressfeinde, denn die Fleischfresser haben keine Reißzähne mehr und alle Tiere können miteinander befreundet sein. So beginnt die besondere Freundschaft von Maus und Fuchs. Wie alle erhalten auch sie die Möglichkeit, nach einer bestandenen Prüfung auf die Erde zurückzukehren, es sind ihre Seelen, die dann in andere Körper schlüpfen und wieder lebendig werden. Beide konnten im Himmel über ihre Schwächen, Ängste und Stärken nachdenken; was sie im Jenseits erlebt haben, ist ihnen fortan eingeprägt. So tauschen Maus und Fuchs schließlich die Rollen. Weißbauch kehrt als Maus und Dolly als Fuchs zurück in ihren Wald. Aber als sie sich wiederbegegnen, ist ihre Freundschaft genauso beständig, wie sie sich im Himmel geformt hatte. Somit war ihr Tod keinesfalls umsonst.

Eine ganz andere Kategorie des Totenreichs verhandelt „Coco – Lebendiger als das Leben“ (Lee Unkrich, 2017). Die Geschichte trägt sich am Tag der Toten in Mexico, dem „Día de los Muertos“ zu, an dem alle Toten als Geister für einen Tag wieder auf die Erde zurück dürfen, um nach ihren Liebsten zu sehen. Der junge Miguel begibt sich derweil ins Totenreich, um seinen Ururgroßvater zu suchen. Die Verstorbenen existieren hier als Skelette und führen eine Existenz, die das echte Leben spiegelt. Mit traurigen und frohen Begebenheiten, Partys und Intrigen. Die Skelette verschwinden erst, wenn sich niemand der Lebenden mehr an die Verstorbenen erinnert, dann lösen sich die Gerippe in Nichts auf und zerfallen endgültig zu Staub. Miguel gelingt es, die Erinnerung an seinen Ahnen wieder lebendig zu machen und die Familienhistorie neu zu schreiben. Obwohl die Geschichte zwischen den Skeletten im Totenreich spielt, hat sie nichts Morbides, sondern eher etwas hoffnungsvolles, denn alle Gestorbenen sind im Totenreich wieder vereint.

Filmbild aus Soul
"Soul" (c) Disney/Pixar

Mehr als Verlust und Schmerz

Die hier vorgestellten Filme wollen sich nicht als Trauerhilfe verstanden wissen. Stattdessen werden metaphysische Dimensionen verhandelt, die den Kindern eine Vorstellung vom Jenseits anbieten. Kinder fragen sich oft, was nach dem Tod passiert, wie es im Himmel aussieht oder was außerhalb des Körpers passiert, wenn dieser nicht mehr lebt. Indem die Geschichten vom Himmel, dem Jenseits oder der Zwischenwelt den Zuschauer*innen auf so unterschiedliche kreative Art und Weise Möglichkeiten anbieten, stärken sie deren Resilienz, wenn es zum Schlimmsten kommen sollte und ein geliebter Mensch oder ein Haustier stirbt. Der Tod ist zudem omnipräsent in den Nachrichten, vor denen man Kinder gar nicht bewahren kann. Er bedeutet nicht nur Verlust und Schmerz, sondern kann auch Hoffnung auf Erlösung sein und einen Neubeginn markieren. Vor allem die Möglichkeiten der Animation bieten für diese philosophischen Fragen einprägsame Bilder. Alle besprochenen Filme haben wurde von der FSK ohne Altersbeschränkung freigegeben. Das zeigt, dass es nicht um Grusel oder abschreckende Bilder und belastende Inhalte geht, sondern darum, das Leben zu feiern, indem der Tod dem Leben an die Seite gestellt wird, entweder als sympathischer Geselle oder als Gedankenspiel, das sich als Metapher manifestiert.

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