Kritiken > Filmkritik
Kritiken > Vorgestellt im Juli 2021 > The Ape Star

The Ape Star

Entdeckt beim Kinderfilmfest München: Der neue bezaubernde Zeichentrickfilm von Linda Hambäck für ein ganz junges Publikum!

Es schüttet in Strömen, als ein kleines rotweißes Auto vor dem Waisenhaus vorfährt. Eines der Kinder soll adoptiert werden. Wer aussteigt, sehen wir zunächst nicht. Aber das Wesen muss furchteinflößend sein, denn die Heimleiterin fällt vor Schreck in Ohnmacht und die sieben Heimkinder flüchten ins Haus. Dann wird die Gestalt erkennbar: Eine Gorilladame steigt aus dem kleinen Wägelchen, riesig, mit einer pinken Hose und türkisfarbenen Schuhen. Kurz darauf wird sie die kleine Jonna erwählen, um mit ihr nach Hause zu kommen. Die Heimleiterin ist gezwungen, Jonna gehen zu lassen, denn der Bürgermeister der Stadt sitzt ihr im Nacken. Es wird höchste Zeit, endlich ein paar Kinder loszuwerden, damit das Waisenhaus rentabler wird. So beginnt die Geschichte von Jonna und Gorilla, wie Jonna ihre Adoptivmutter nennen soll. Es ist die Geschichte einer Seelenverwandtschaft und der Beginn einer wunderbaren Mutter-Tochter-Beziehung.

Nach „Kommissar Gordon & Buffy“ (2017) hat Linda Hambäck in ihrem zweiten abendfüllenden Animationsfilm für Kinder erneut ein übersichtliches Setting geschaffen, das schon für die Jüngsten gut durchschaubar ist, ältere Kinder aber keineswegs unterfordert. In pastellfarbenen Aquarellbildern kreiert sie eine kleine heimelige Welt, die jedoch nicht vor Intrigen und Streit gefeit ist. Zunächst ist da der Bürgermeister, in der Originalfassung gesprochen von Stellan Skarsgård, der seinen kleinen Ort und damit sich selber aufwerten will. Er plant ein Spaßbad, entweder auf dem Gelände des Kinderheims oder besser noch auf dem Grundstück, das Gorilla gehört.

Doch Gorilla hat auch ohne die Angriffe des Stadtoberhaupts mit Anfeindungen und Vorurteilen zu kämpfen. Nur wenige sehen wirklich in ihr Herz und erkennen die Liebe, die sie zu Jonna spürt, und kaum jemand weiß von ihrer Affinität zu Literatur und Antiquitäten. Vom Verkauf alten Trödels bestreitet sie ihren Lebensunterhalt. Sehr schnell fasst Jonna Vertrauen zu Gorilla, schon bald sitzen die beiden im Baumhaus, wo Gorilla ihrer Tochter vom Affenstern erzählt, dem sie ihren sehnlichen Wunsch nach einem Kind anvertraute. Und nun ist sie bei ihr, die kleine Joanna und siehe da, sie wäscht sich genauso gern die Hände wie Gorilla!

Linda Hambäck, die einst selbst adoptiert wurde, nähert sich mit „The Ape Star“ nach dem Buch „Ich, Gorilla und der Affenstern“ von Frida Nilsson auch ihrer eigenen Biografie. So treibt sie schon lange die Frage um, was Familie wirklich bedeutet. Ist es tatsächlich das Band durch Geburt, das zusammenschweißt, oder ist es möglich, Familie unabhängig von der Herkunft frei zu wählen und sich sein eigenes Zuhause zu gestalten? Jonnas bester Freund Aron hat den Wunsch nach Eltern längst aufgegeben. Er fühlt sich im Heim bei der sympathischen Leiterin und dem netten Hausmeister pudelwohl. Sie sind sein Elternersatz, die anderen Kinder seine Geschwister.

Schon in „Kommissar Gordon & Buffy“ ging es um Vorurteile und wie man sie überwinden kann. Ist der Fuchs stets der Böse? Nun steht die Frage im Raum: Ist ein Gorilla immer grob und kann sich nicht benehmen? Frisst ein Gorilla Kinder? Diese Schemata aufzubrechen, um neue Blickwinkel zu entdecken, das schafft die Regisseurin in „The Ape Star“ wieder auf ganz besonders subtile Art und Weise. Wir blicken mit den Augen der kleinen Jonna auf Gorilla und erkennen ihre große Zuneigung zu dem Kind, das sich bei ihr geborgen fühlt und sie bald Mama nennt. Das nehmen auch die anderen im Heim wahr und es bleibt ihnen nur, der kleinen Familie viel Glück zu wünschen. Besser hätte Jonna es nicht treffen können.

Katrin Hoffmann

 

© Quelle: Filmfest München
5+
Animation

Apstjärnan - Schweden 2021, Regie: Linda Hambäck, Festivalstart: 05.07.2021, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 5 Jahren, Laufzeit: 74 Min. Buch: Janne Vierth, nach der Originalvorlage „Ich, Gorilla und der Affenstern“ von Frida Nilsson. Kamera: Gabriel Mkrttchian. Musik: Minna Weurlander, Tania Naranjo. Schnitt: Ulf Tønder Flittig, Linda Hambäck. Produzent*innen: Linda Hambäck, Petter Lindblad. Produktion: LEE Film. Verleih: offen. Synchronsprecher*innen der Originalfassung: Rebecca Gerstmann (Jonna), Pernilla August (Gorilla), Stellan Skarsgård (Bürgermeister), Melinda Kinnaman (Heimleiterin), Jack Bergenholz (Aron) u. a.

The Ape Star - The Ape Star -