Festivals | | von Reinhard Kleber
Triste Sommerferien, mutige Kleinkinder und reiselustige Seeschlangen
Unsere Pinnwand zu „Young Audience“ auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck 2025
Beobachtungen, Eindrücke und Gedanken von Reinhard Kleber zum Kinder- und Jugendprogramm der Nordischen Filmtage. Dieses Mal mit der Kinderfilmfest-Evergreen-Frage, Familien vor und hinter der Kamera und Reisen auf der Leinwand und hinter den Kulissen.
Die Kinderfilmfest-Evergreen-Frage
(Von Reinhard Kleber)
Gleich die erste Vorführung aus der Sektion Young Audience in Lübeck warf eine Frage auf, die auf vielen Kinder- und Jugendfilmfestivals immer wieder diskutiert wird. Ist das ein Kinderfilm? Auslöser dieses Mal war der finnisch-britische Familienfilm „The Summer Book“ von Charlie McDowell. Seine Adaption eines Romans der Schriftstellerin und „Mumin“-Erschafferin Tove Jansson erzählt von der neunjährigen Sophia, die mit ihrem Vater und ihrer Großmutter zum Sommersitz am Finnischen Meerbusen reist. Doch diesmal ist alles anders, denn ihre Mutter ist gestorben. Der Vater flüchtet sich in die Arbeit und ist kaum ansprechbar. Notgedrungen kümmert sich die Großmutter um das Mädchen und zeigt ihr, was die Küstenregion zu bieten hat.
Das Problem dabei: So beschaulich die saftigen Moospolster auf den glatt geschliffenen Felsen und so hübsch die selbst gebastelten Rindenboote auch sein mögen, zu einer schlüssigen Geschichte fügen sich die losen Impressionen und lang ausgedehnten Episoden nicht. Die Langeweile, die Sophia plagt, droht mehrfach auf die jungen Zuschauenden überzugreifen. Zudem beansprucht die geduldige Großmutter, eindringlich gespielt vom Hollywood-Star Glenn Close, in der gemächlichen Inszenierung genauso viel Erzählzeit wie Sophia. Und je weiter der Film fortschreitet, umso mehr spürt man, dass es der letzte Sommeraufenthalt der betagten Dame sein wird.
Eindeutig ein Kinderfilm
(Von Reinhard Kleber)
Der dänische Animationsfilm „Lotte & Totte – My First Friend“ richtet sich dagegen mit einer sehr verträglichen Laufzeit von nur 62 Minuten ausdrücklich vorrangig an die jüngsten Zuschauenden. „Ich hatte schon lange den Wunsch, einen Film für die Kleinsten zu machen“, sagt die Regisseurin Mia Fridthjof. Was ältere Geschwister, Eltern und Großeltern als Publikum aber nicht ausschließt. Denn schließlich beruht der Film über die vierjährigen Lotte, die mit ihren Eltern und dem neugeborenen Bruder von der Stadt aufs Land zieht und sich dort mit dem Nachbarjungen Totte anfreundet, auf der bekannten schwedischen Kinderbuchreihe von Gunilla Wolde. Auch hinter der Kamera ist „Lotte & Totte“ quasi ein Familienprojekt. Mia Fridthjof schrieb das Drehbuch und führte Regie, ihr Mann Ronnie Fridthjof zeichnet für die Produktion verantwortlich und Tochter Smilla leiht der Titelfigur Lotte ihre Stimme.
Lange Wege
(Von Reinhard Kleber)
Animationsfilme werden heutzutage nur noch selten allein in einem Land realisiert. Vielmehr suchen viele Trickfilmer*innen das nötige Geld zunehmend in mehreren Ländern zusammen und verteilen die Produktionslasten auf etliche Schultern. Dass das kann ganz schön lange dauern kann, beweist etwa „Rufus – The Sea Serpent Who Couldn’t Swim“ des norwegischen Regisseurs Endre Skandfer, der auf den Büchern von Tor Åge Bringsværd und Illustrator Thore Hansen basiert. Darin geht es um eine Seeschlange, die nicht schwimmen kann, aber dennoch zu einer gefährlichen Seereise nach Schottland aufbricht, um ihre Heimat, eine abgelegene Insel, zu retten.
Vor zwölf Jahren habe eine Produktionsfirma den Regisseur gefragt, ob er den Stoff verfilmen möchte, berichtet Skandfer, der mit den Büchern aufgewachsen ist, in Lübeck. Doch obwohl die Vorlagen in Norwegen sehr bekannt sind, war es demnach sehr schwierig, den Film zu finanzieren. Am Ende wurden die Animationsarbeiten auf sechs Länder auf zwei Kontinenten verteilt: Norwegen, Belgien, Spanien, Finnland, Indonesien und Malaysia. Hinter den Kulissen hat also nicht nur die Seeschlange, sondern auch der Film selbst eine abenteuerliche Reise hinter sich.
