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Festivals | | von Stefan Stiletto

Hohe Temperaturen, kühle Kinos und ein Preis, der zur einer hitzigen Diskussion einlädt

Unsere Pinnwand zum Filmfest München 2025

Es ist Sommer, es ist heiß, es ist Filmfest München. Hier kommen bunt zusammengewürfelte Eindrücke von Christopher Diekhaus, Katrin Hoffmann, Verena Schmöller, Ulrike Seyffarth, Stefan Stiletto und Holger Twele, die in der Sektion CineKindl und darüber hinaus für uns unterwegs waren. Besonders spannend dieses Mal: Sie sind nicht alle einer Meinung.

Filmstill aus Spilt Milk
"Spilt Milk" Quelle: Filmfest München 2025

Vom Kinderfilmfest zum CineKindl

Der Name ist nicht Programm

(von Holger Twele)

In den letzten Jahren hatte es den Anschein, dass das Kinderfilmprogramm nicht voll in das Hauptfestival integriert ist und ökonomisch auf Sparflamme gehalten wird. Die beiden Leiter der Sektion Tobias Krell und Tobias Obermeier wollten das ändern und „eine Brücke zwischen Kinder- und Erwachsenenpublikum bauen“. Mit diesem hehren Anspruch fand die Sektion 2024 zu dem neuen Namen CineKindl. Aber es wird nicht so einfach sein, das den Kinderschuhen bereits entwachsene Publikum und vor allem die Erwachsenen davon zu überzeugen, dass neben den gängigen Neuvorstellungen von aktuellen Kinderfilmen, insbesondere Animationsfilmen, nun auch Filme im Programm sind, die sich an Jugendliche richten. Begriffe wie „Juniorfilm“ (Schlingel) oder „Jugendfilm“ wurden dabei bewusst vermieden. Man darf gespannt darauf sein, wie sich diese Erweiterung, die eingeschworenen Erwartungshaltungen zuwiderläuft, in Zukunft entwickeln wird.

Foto der Premiere von "Neue Geschichten vom Pumuckl - Staffel 2" beim Filmfest München 2025 mit Regisseur Marcus H. Rosenmüller
Marcus H. Rosenmüller bei der Premiere von "Neue Geschichten vom Pumuckl - Staffel 2" beim Filmfest München 2025 (c) Simon Chmel

Auf der Bühne (oder eben nicht)

Wo ist Tobi?

(von Stefan Stiletto)

Super: Marc-Uwe Kling ist da. Ohne Känguru, aber dafür mit seinem Ko-Autor Jan Cronauer und einer Vorstellung des gemeinsamen neuen Buchs mitsamt Serie „Neon und Bor“. Der Pumuckl ist wieder da und sein Regisseur Marcus H. Rosenmüller auch. Aber wo ist Tobi? Also Checker Tobi? Also CineKindl-Programmleiter Checker Tobi? Kein Tobi auf der Bühne, kein Tobi vor dem Saal. Und vor allem: Kein Wort dazu, warum er nicht da ist. Eine Festivalausgabe ohne Sektionsleiter? Schon ein bisschen seltsam. Zumal, wenn dieser in der deutschen Kindermedienlandschaft – zu recht! – so ein Star ist wie Checker Tobi und damit für das Filmfest München das prominente Aushängeschild schlechthin. Kommt er wieder? Wir wissen es nicht. Dafür wissen wir, was das junge Publikum sich vom Filmfest wünscht. Das wurde nämlich für den Festivaltrailer befragt. Antwort Nummer drei: „Eigentlich nur Checker Tobi.“

 

Übervoll das Herz, die Bühne

(von Ulrike Seyffarth)

Ganz viel Herz ist da zu spüren, im gut besuchten Deutschen Theater am Sonntagnachmittag, in der drei Folgen der brandneuen 2. Staffel der TV-Serie „Neue Geschichten vom Pumuckl“ (Marcus H. Rosenmüller, 2025) gezeigt werden. Ein gutgelaunter, zu Scherzen aufgelegter Marcus H. Rosenmüller, liebevoll Rosi genannt, ruft zu sich, wer unter seiner Regie vor und hinter der Kamera mitgewirkt hat an der Neuauflage, die ganz den charmant-verschmitzten Geist des Originals aus den 1980er-Jahren atmet. Und das sind nicht wenige: Zum Beispiel Pumuckl-Sprecher Maxi Schafroth, dessen Stimme auch ohne die in der Serie verwendete KI-Sprachsynthese jener von Ur-Pumuckl Hans Clarin täuschend ähnelt. Oder die Künstlerin und Illustratorin Barbara von Johnson. Der heute über Achtzigjährigen verdankt der Münchner Kobold sein Aussehen samt rotem Haar, seit diese 1963 den von Pumuckl-Schöpferin Ellis Kaut ausgeschriebenen Wettbewerb gewann.

Neben Florian Brückner alias Schreiner Florian Eder sind auch einige altbekannte Gesichter anwesend: Ilse Neubauer, die schon in der Original-Fernsehserie Eders vitale Nachbarin Frau Stürtzlinger spielt, oder das bayrische Urgestein Sigi Zimmerschied. Meine Sitznachbarin stellt sich zufällig als seine Ehefrau heraus und bestätigt das herzliche Miteinander von Regisseur, Cast und Crew. Es scheint, dass die den Geschichten eigene Liebenswürdigkeit ihre Entsprechung beim Dreh gefunden hat. Das überträgt sich auch aufs begeisterte Publikum, in dem nicht wenige sich voller Nostalgie an die alte Fernsehserie erinnern können. Zusammen mit einer neuen Generation von Pumuckl-Fans feiert dieses nun die gelungen modernisierte neue Serie mit Standing Ovations: Koboldwitz und Schreiner-Charme / Kommt bei Alt und Jung gut an. Das reimt sich. Und was sich reimt, ist gut!

Filmstill aus Omaha
"Omaha" Quelle: Filmfest München 2025

Aus unterschiedliche Perspektiven

Achtung, die drei folgenden Notizen enthalten massive Spoiler zum Film „Omaha“ (Cole Webley, 2025). Es war in diesem Kontext nicht zu vermeiden.

 

Fordern oder überfordern?

(von Holger Twele)

Hans und Christel Strobel hatten das Kinderfilmfest im Rahmen des Filmfest München seinerzeit aus der Taufe gehoben. Ihnen war immer der Leitspruch wichtig, Kinder zu fordern, sie aber nicht zu überfordern. Zugleich gab es auf den einschlägigen bundesdeutschen Festivals immer auch einzelne Filme, die diese nicht exakt definierbaren Grenzen ausloteten und zur Diskussion anregten. In diesem Jahr war ein solcher Film „Omaha“ (2025) von Cole Webley, der vom Festival ab 13 Jahren empfohlen worden ist und zu heftigen Kontroversen führte, zumal eine dreiköpfige Fachjury ihn auch noch als besten Film des CineKindl-Programms ausgezeichnet hat.

Für sich gesehen ist das durchaus nachvollziehbar. Der Film spielt in der Finanzkrise 2008, als viele Familien in den USA die Kredite für ihre Häuser nicht mehr bezahlen konnten. In dem tragischen Road Movie gerät ein liebevoller Vater und Witwer in eine solche Notlage. Frühmorgens macht er sich mit der zehnjährigen Ella und dem sechsjährigen Charlie auf den Weg nach Nebraska, ohne ihnen den Grund dafür zu sagen. Vor einem Krankenhaus lässt der Vater seine Kinder schließlich überraschend allein zurück – was aufgrund einer gesetzlichen Regelung damals straffrei möglich war.

Dem Regisseur war sehr daran gelegen, die Perspektive darauf zu legen, wie Kinder mit einer solchen Situation umgehen. Gleichwohl steht der verzweifelte Vater als Antagonist genauso im Mittelpunkt, der seinen Kindern nur das Beste wünscht, ihnen mit dem letzten Geld sogar noch einen Besuch im Zoo von Omaha ermöglicht, aber keinen anderen Ausweg mehr sieht. Offen und ohne Erklärungen bleiben Anfang und Ende des Films, was seine cineastischen Qualitäten unterstreicht. Zugleich fordert der Film zur Diskussion heraus, ob Jugendliche ab 13 Jahren hierzulande so einen Film sehen sollten oder nicht. Das Festival hat diese Frage eindeutig positiv beantwortet.

 

Der falsche Preis

(von Katrin Hoffmann)

Der Preis der Fachjury CineKindl geht in diesem Jahr an „Omaha“ (2025) von Cole Webley, der als Cross-Section-Beitrag auch in der Reihe International zu sehen war. Ein toller Film, aber nicht für Kinder.

Beim CineKindl war er ab 13 Jahren empfohlen, aber auch für dieses Alter ist der Film verstörend. Es geht um einen Vater, der mit seinen beiden Kindern und dem Hund im Auto zu einem Roadtrip aufbricht, von dem die Kinder genauso wenig wie die Zuschauer*innen wissen, wohin es geht. Wir sehen einem verzweifelten und mittellosen Vater dabei zu, wie er mit dem wenigen Geld, das ihm bleibt, den Kindern ein wenig Freude bieten will. Dann wird der Hund im Tierheim abgegeben und die Tochter denkt, es sei ihre Schuld. Ein erster großer Schock. Und ein noch viel größerer wird folgen, wenn der Vater seine Kinder vor einem Krankenhaus zurücklässt, ohne Erklärung, ohne Aussicht auf ein Wiedersehen. Bruder und Schwester bleiben schreiend und weinend zurück.

Wir sind in diesem Film ganz beim Vater und seiner Verzweiflung, nicht bei den Kindern. Man kann dem jungen Publikum einiges zumuten, aber nicht eine so dramatische Entwicklung, die keine Möglichkeit einer Lösung bietet. Man stelle sich armutsgefährdete Kinder im Publikum vor, die mit diesem Drama allein gelassen werden! Der Hund und viel mehr noch die Kinder sind hier Verschiebemasse. Wenn sie zu teuer werden: weg damit. Dass die Geschichte auf den dramatischen Folgen der Finanzkrise beruht, die unzählige Menschen in den Ruin getrieben hat, erfahren wir erst am Ende des Films. Aber keine Erklärung kann rechtfertigen, was hier den Jüngsten angetan wird.

In der Jurybegründung heißt es unter anderem: „der Blick auf die Kinder immer auf Augenhöhe“. Genau: Die Story ist nicht aus der Sicht der Kinder erzählt, sondern aus der erwachsenen Perspektive auf die Kinder. Das ist der entscheidende Unterschied. Weshalb sie dafür den CindKindl Award vergeben haben, bleibt das Geheimnis der drei Juror*innen Julia Lemke, Jéssica Pestana und Korbinian Dufter.

 

Filme mit Kindern sind nicht immer Kinderfilme

(von Verena Schmöller)

Was eigentlich sind noch einmal Kinderfilme? Kinder kommen in vielen Filmen vor oder andersherum: In vielen Filmen wird aus der Welt und unterschiedlichen Welten von Kindern erzählt. Nicht immer sind sie aber deshalb Kinderfilme. Das zeigt besonders eindrücklich der Film „Omaha“ (2025) von Cole Webley. Der Film erzählt auf sensible und poetische Weise von einer Familie, die nach dem Tod der Mutter in die Armut abgerutscht ist: Sie müssen ihr Haus zwangsräumen, haben keine Bleibe mehr, und auch die Lebensmittelmarken werden so knapp, dass der Vater auf sein Mittagessen verzichtet. Und weil in Nebraska gerade das Safe-Haven-Gesetz eingeführt wurde, das Eltern erlaubt, ihre Kinder straffrei abzugeben, beschließt er schwersten Herzens, sich von seinen Kindern zu trennen. Zusammen machen sie sich auf einen letzten schmerzvollen Roadtrip.

Der Film wechselt immer wieder zwischen dem Blick auf den Vater und die unwissenden Kinder, die jedoch zu ahnen beginnen, dass hier etwas Neues passiert. „Omaha“ beobachtet insbesondere die ältere Schwester bei ihrem frühzeitigen Erwachsenwerden. Deutlicher ist das kommende Ende beim Fokus auf den Familienvater zu erkennen, dessen Traurigkeit und Verzweiflung immer spürbarer werden. Dabei wird klar: Hier wird vor allem die Geschichte des Vaters, sein Prozess des Loslassens, erzählt. Ein Film für Eltern, für Erwachsene, aber nicht unbedingt für die Kinder im Publikum. Sie werden nämlich im selben Schock wie die Film-Kinder zurückgelassen und am Ende nicht aufgefangen. Das können zwar anschließende Gespräche leisten, der Film jedoch tut es nicht – und ist tatsächlich besser in der Sektion International Independents des Festivals aufgehoben als beim CineKindl.

 

Zwischen Kinder- und Erwachsenenperspektive

(von Verena Schmöller)

Auch „Vergossene Milch“ (2024) von Brian Durnin spielt mit dem Changieren zwischen Kinder- und Erwachsenenperspektiven, und an diesem Film wird deutlich, wo die Grenze zwischen Kinder- und Nicht-Kinderfilmen liegt. Im Mittelpunkt des Films aus Irland steht der elfjährige Bobby, der davon träumt, einmal ein großer Detektiv zu werden. Als zuerst das Fernsehgerät verschwindet, auf dem er regelmäßig die Abenteuer seines Idols Kojak verfolgt, und dann der große Bruder, hat Bobby einen wirklich wichtigen Fall zu lösen – und wird dabei ein ganzes Stück erwachsener. Der Film porträtiert das Dublin der 1980er-Jahre und dessen schwere Drogenkrise, als Heroin eine rasante Runde unter den Jugendlichen macht und viele Todesopfer fordert. Nicht unbedingt ein leichtes Thema, das durch Bobbys Blickwinkel aber für Kinder und Jugendliche verstehbar gemacht wird. Immer wieder ruht der Kamerablick auch auf den Eltern und zeigt die Auswirkungen der Situation auf die ganze Familie. Als Bobbys Mutter sich beim Wäschewaschen an einen Pullover des Bruders klammert und zusammenbricht, scheint der Film zu kippen, sich weg vom Kinderfilm zu bewegen, wechselt dann aber geschickt die Perspektive: Bobby kommt nach Hause, hört das Schluchzen seiner Mutter und setzt sich vor die verschlossene Badezimmertür. Die Kamera wechselt zwischen den beiden Blickwinkeln hin und her, zeigt, wie die beiden durch die Geschehnisse und in ihrer Erschütterung verbunden sind, beide Hände an der Tür. In dieser Szene offenbart sich, wie Kinderfilm gedacht und gemacht werden muss.

Filmstill aus Geschichten aus dem Zaubergarten
"Geschichten aus dem Zaubergarten" (c) Maurfilm, Artichoke, ZVVIKS, Vivement Lundi

Wetter und so

Air Conditional Love

(von Ulrike Seyffarth)

Die Filmfeststadt München schwitzt und ächzt bei über 34 Grad, schwül ist es dieser Tage. Das gute Münchner Leitungswasser wird flaschenweise gezapft, getrunken und verdunstet sogleich. Die Schlange (nicht nur) vor der legendären Eisdiele in der Türkenstraße ist lang, und wer endlich sein Eis ergattert hat, muss sich beeilen, um nicht allzuviel davon an den glühenden Asphalt zu verlieren. Man drückt sich in den Schatten der Häuser und Bäume rund um die Pinakotheken und das Museum Brandhorst, es hilft aber nix, die Hitze bleibt unerträglich. Gut, wenn die nächste Filmvorstellung ansteht – in den Kinos der Hochschule für Fernsehen und Film, wo die meisten Filme der CineKindl-Reihe gezeigt werden, ist es tatsächlich auszuhalten. Ein Umstand, der gar nicht genug gewürdigt werden kann. Und tatsächlich wird in einer Anmoderation ein Riesendank an die Klimaanlage ausgesprochen, die „seit Tagen echte Schwerstarbeit“ leistet! Das allmählich auf Normaltemperatur runterkühlende Publikum dankt es ihr mit frenetischem Applaus.

 

Passt ja super

(von Stefan Stiletto)

Während draußen die Sonne vom Himmel brennt, sieht es auf der Leinwand ganz anders aus. Spätherbst ist es in dem tschechischen Animationsfilm „Geschichten aus dem Zaubergarten“ (David Súkup, Patrik Pašš, Leon Vidmar, Jean-Claude Roze, 2025), die Bilder leuchten noch ein wenig in warmen Rot-, Gelb- und Brauntönen. Aber es ist auch eine Zeit der Trauer. Eine Oma ist gestorben, die Enkel, die nun zum ersten Mal ohne Oma im Haus der Großeltern sind, erzählen sich Geschichten. Eine davon handelt von zwei Kindern, die eines nachts allein zu Hause sind. Die Eltern sind ausgegangen. Es klingelt. Eine Hiobsbotschaft. Zwei Polizisten erzählen den Kindern, dass ihre Eltern einen schweren Unfall hatten und mehre Wochen lang im Krankenhaus bleiben müssen. Sollte sich innerhalb eines Tages niemand finden, der sich um sie kümmert, müssen sie ins Kinderheim. Die Kinder sind schockiert und kauern sich in ihrem Zimmer zusammen. Und draußen, in der blau erleuchteten Straße, regnet es in Strömen. „Das Wetter passt dazu, wie die Kinder sich fühlen“, hört man eine junge Besucherin im Saal flüstern. Wie schön, wenn Filme Form und Inhalt so zu verbinden wissen und Stimmungen transportieren können – und wie schön, wenn Kinder lernen, dieses Zusammenspiel bewusst zu erkennen und auf sich wirken zu lassen.

Filmstill aus Euphorie
"Euphorie" (c) Nirén Mahajan

Jugendkino jenseits von CineKindl

Deutsche Produktionen ohne Angst vor sensiblen Themen

(von Christopher Diekhaus)

Deutsche Filme und Serien wagen zu wenig und bespielen vorwiegend die Genres Krimi und Komödie – diese schon lange angestimmte Klage ist sicherlich nicht völlig aus der Luft gegriffen. Manchmal geht sie aber auch schlicht an der Realität vorbei. Denn es gibt sie, Werke, die den Mut haben, komplexe Sachverhalte zu verhandeln, und das zuweilen sogar mit erstaunlicher Ausdruckskraft hinbekommen. Beim diesjährigen Filmfest München befassten sich gleich mehrere Produktionen in den Reihen „Neues Deutsches Kino“ und „Neues Deutsches Fernsehen“ mit psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen. Einem Thema, das durch die dramatisch hochgeschnellten Fallzahlen im Zuge der Corona-Pandemie an Relevanz gewonnen hat. Depressionen sind nicht nur unter Erwachsenen verbreitet. Auch junge Menschen können sich völlig leer fühlen. Gerade in Krisenzeiten wie diesen, in denen uns täglich so viele Fragen und Unsicherheiten bedrängen. Während der Spielfilm „Danke für nichts“ (Stella Marie Markert, 2025) über eine betreute Wohngruppe die Geschichten seiner Protagonistinnen in einem etwas zu lockeren Tonfall erzählt und am Ende dem sensiblen Sujet nicht gerecht wird, beweisen die ebenfalls in München uraufgeführten Serienprojekte „Euphorie“ (Antonia Leyla Schmidt, André Szardenings, 2025) und „Stabil“ (Teresa Fritzi Hoerl, Sinje Köhler, 2025), wie man es besser macht. Trotz dynamischer Handlungsführung und vieler inszenatorischer Kunstgriffe nehmen sich beide Arbeiten (zumindest in den jeweils gezeigten ersten drei Folgen) ausgiebig Zeit, um das Innenleben der Hauptfiguren zu erforschen und ihr Hadern an der Welt zu vermitteln. Erstaunlich, wie ergreifend eine RTL+- und eine ARD-Degeto-Serie sein können!

 

Starker Schauspielnachwuchs

(von Christopher Diekhaus)

Noch so ein Vorwurf, den man immer wieder hört: Deutsche Schauspieler*innen agieren unnatürlich und können Emotionen schlecht transportieren. In einigen Fällen mag das zutreffen. Wenn das Filmfest München 2025 eines gezeigt hat, dann aber das: Um die deutschen Nachwuchsdarsteller*innen brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Talent ist ausreichend vorhanden. Derya Akyol etwa balanciert in „Euphorie“ (Antonia Leyla Schmidt, André Szardenings, 2025) Weltschmerz, Sarkasmus und Sehnsucht nach echter Nähe so überzeugend aus, dass man immer wieder eine Gänsehaut bekommt. Verletzlichkeit, Schuldgefühle und Wut bringt auch Luna Mwezi in „Stabil“ (Teresa Fritzi Hoerl, Sinje Köhler, 2025) traumwandlerisch sicher zum Ausdruck. Bemerkenswert ist nicht zuletzt die Darbietung von Elise Krieps im Kinodrama „Karla“ (Christina Tournatzés, 2025), in dem ein Mädchen im Jahr 1962 ihren Vater des sexuellen Missbrauchs beschuldigt und einen Prozess erzwingt. Wie nuanciert die junge Schauspielerin das Trauma der Protagonistin erlebbar macht, verdient tosenden Applaus. Selbst in der eher auf Spannung getrimmten, um Mobbing im realen und virtuellen Raum kreisenden Thriller-Serie „Schattenseite“ (Özgür Yildirim, Alison Kuhn, 2025) legt das Teenager*innen-Ensemble eine erstaunliche Authentizität an den Tag. Jederzeit hat man das Gefühl, echte Menschen interagieren zu sehen.

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