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Festivals | | von Barbara Felsmann

Filme ohne Worte

Gesehen bei doxs!, dem Duisburger Dokumentarfilmfestival für Kinder und Jugendliche

Seit 2023 gibt es bei doxs! eine neue Sektion. Sie nennt sich „doxs! Expanded“ und gezeigt wurden in diesem Rahmen vier Filme: Mal zwei, mal drei, mal sieben Minuten lang – und alle ohne Sprache. Ein Versuch, den Begriff des Dokumentarischen ein wenig zu erweitern.

Foto aus Plstc
"Plstc" Quelle: doxs!

„Wir hatten verschiedene Filme bei den Einreichungen, die wir nicht so richtig zuordnen konnten“, erzählte Festivalleiterin Tanja Tlatlik, „Filme, die einen sehr, sehr kreativen Umgang mit verschiedenen Themen hatten, also Filme, denen man tatsächlich etwas Dokumentarisches zusprechen kann, die aber eher experimenteller sind. Und weil wir festgestellt haben, dass es eine ganze Menge von solchen Filmen gibt, wollten wir ihnen mal ein besonderes Augenmerk schenken. So entstand die Idee zu doxs! Expanded. Wenn man das übersetzt, meint es so etwas wie erweitert, also wir möchten den Begriff des Dokumentarischen ein bisschen erweitern.“

Zeit zum Reden

Insgesamt wurden in dieser Sektion vier kurze Filme aus Deutschland, Frankreich, Österreich und den USA gezeigt, die zusammen eine Vorführlänge von 15 Minuten hatten. Damit eine gesamte Kinovorstellung zu füllen, scheint auf den ersten Blick schwierig. Nicht bei doxs!, wo bereits seit Jahren das anschließende Filmgespräch gepflegt wird. „Wir hatten regulär anderthalb Stunden Vorstellung“, berichtet Tanja Tlatlik, „zuerst lief der Trailer, dann gab es eine kurze Einführung, über den ersten Film wurde zehn, fünfzehn Minuten gesprochen, über einen Film sogar mehr als 20 Minuten. So fügt sich das Programm zusammen, dass man einfach mehr Zeit hat, gemeinsam seine Eindrücke zu teilen. Sehr spannend war, dass das Publikum versucht hat, Verbindungen zwischen den einzelnen Filmen zu finden.“

Farbexplosionen und neue Perspektiven

Foto aus NYC RGB
"NYC RGB" Quelle: doxs!

Eröffnet wurde die Vorstellung, die sich an Jugendliche ab 15 Jahren richtete, mit dem Film „NYC RGB“ der bildenden Künstlerin und Filmemacherin Viktoria Schmid aus Österreich. „NYC RGB“ gehört zu einer Reihe von Arbeiten, bei denen sich die Regisseurin mit historischen Farbfilmverfahren beschäftigt. Hier durchlief der Filmstreifen zeitlich versetzt mit drei unterschiedlichen Farbfiltern die Kamera. Zu sehen sind Blicke aus einer New Yorker Wohnung im 20. Stock auf die umgebenden Häuser, auf Dächer und Fassaden, auf die Straße mit Menschen und fließendem Verkehr. Versetzt sind diese Bilder mit einem gelb-rot-blauen Farbspiel. Mal sind es geometrische Figuren, die sich an den Fassaden wiederfinden, mal ist der Rauch eines Schornsteins eingefärbt, dann wieder umgeben gelb-rot-blaue Wolken die Spitze eines Wolkenkratzers. In einem ganz ruhigen Takt, den man dieser sonst so pulsierenden Großstadt nicht zutraut, werden diese Farbspiele zelebriert, unterlegt mit einer synthetisch-sphärischen Musik. Faszinierend ist, wie dieser Film so ein ganz anderes, unerwartetes Bild von New York zeichnet und durch die Farbspiele ungewöhnliche, stimmungsvolle Bilder zaubert. Auch die Jugendlichen in Duisburg waren schwer beeindruckt, wie Tanja Tlatlik erzählte.

Dagegen wirkt der Dreiminüter „OS-MO-SE“ von Alissa Sophie Larkamp und Emma-Mathilda Lipphaus wie ein Bilderrausch, wie eine Farbexplosion. Aufbrechende Blüten mit Hummeln, Bienen und Käfern wechseln einander in einem schnellen Rhythmus ab, dann sieht man Hautpartien mit winzigen Stichen, später sind diese „Makel“ mit Glitzer und knalligen Farben verschönert, dazwischen vermengen sich kaleidoskopartig Blüten- und abstrakte Farbbilder, bis am Schluss langsam eine Pusteblume durchs Bild schwebt. Regisseurin Alissa Sophie Larkamp war in Duisburg zu Gast und stellte sich den Fragen der Jugendlichen vor allem bezüglich des außergewöhnlichen Sounddesigns.

Stille Kritik an der Wegwerfgesellschaft

Zwei Filme dieser neuen Sektion widmeten sich dem Thema Umweltverschmutzung durch Kunststoff. Auf sehr witzige wie ungewöhnliche Weise macht dies die Arbeit „Afterlives“ von Michael Heindl. Zunächst werden Kunststoffgegenstände an ungewöhnlichen Plätzen in Wien gezeigt. Da klebt ein grüner Plastikball an einer U-Bahntür, eine Badelatsche an einem Ladenschild, eine Plastikklammer steckt in einem Gurkenglas. Später sieht man, wie ehemals achtlos weggeworfenen Gegenstände die Umwelt behindern. Der Ball lässt die U-Bahntür sich immer wieder öffnen, ein kleiner, blauer Schlauch an dem Kopf einer Springbrunnenfigur leitet das Wasser auf die Straße, ein Plastikflaschendeckel auf einem Ziffernblatt verhindert das Weiterdrehen des Minutenzeigers, eine Plastikzahnbürste macht einen Klingelstreich oder bunte Plastikstäbe mitten auf der Straße bringen ganz am Schluss des Films ein Auto zum Stehen. Nach einem Hupkonzert fährt der Wagen in der Schwarzblende los. Was passiert, bleibt offen.

Foto aus Afterlives
"Afterlives" Quelle: doxs!

Während „Afterlives“ sich heiter mit den Folgen unserer Wegwerfgesellschaft auseinandersetzt, nähert sich der Experimentalfilm „PLSTC“ von Laen Sanches diesem Thema mit dystopischen Bildern. In knapp zwei Minuten wechseln sich in rasanter Geschwindigkeit Bilder von toten Meerestieren ab, die sich in Plastiktüten verfangen haben. Zunächst sind es kleine knallbunte Fische, Krebse und Wasserpflanzen, später dann Schildkröten, junge Eisbären oder Robben, bis am Ende nur noch ein riesiges Plastikknäuel zu sehen ist bei Unterwassergeräuschen. Dieser Film – wie auch die anderen Produktionen in dieser Sektion – benötigt keinen Kommentar, keine Worte, um seine Botschaft zu vertiefen. Die Bilder, interessanterweise durch KI entstanden und dann nachbearbeitet, wirken für sich und bleiben lange in Erinnerung. Zum Glück konnte Filmemacher Laen Sanches anwesend sein, denn die Jugendlichen hatten viele Fragen an ihn. „Vor allem ging es darum zu entschlüsseln, wie diese Bilder entstanden sind“, erzählt Tanja Tlatlik, „welche Programme der Regisseur verwendet hat, welche Begriffe er eingegeben hat und warum er nicht mit Realbildern arbeiten wollte. Interessant war bei dieser Diskussion, dass KI in der jungen Generation so ein großes Thema ist und dass die Jugendlichen sich auf dem Gebiet bereits sehr gut auskennen.“

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