Den kenn ich doch | | von Christian Exner

In luftigen Höhen

Die Baumhauskindheit ist nirgends so schön wie im Kinderfilm

Wir wandeln das Thema von „Den kenn’ ich doch...‟ ein wenig ab. Denn im Kinderfilm gibt es nicht nur die immergleichen Standardfiguren, sondern auch die immergleichen Orte. Wir beginnen mit einer Reise in die freiheitsversprechenden Wipfel der Bäume und der kleinen Refugien, die dort oben geschaffen wurden. Da war ich schon: Im Baumhaus.

"Die Baumhauskönige" (c) Farbfilm

Mit Klischeetypen des Kinderfilms ist die Glosse, „Den kenn’ ich doch ...“ einst gestartet. Doch neben den Figuren, die immer wiederkehren, gibt es auch Motive, die zu den Standards des Kinderfilms zählen. Ein Top-Motiv des Kinderfilms ist das Baumhaus. Im Programm des Festivals „Schlingel‟ 2019 gab es direkt einen Film, dessen Titel „Mein Baumzuhause‟ (Zhang Zhonghua, 2018) lautet. Und das war nicht die einzige Produktion, die mit einem Kinder-Refugium in luftigen Höhen aufwarten konnte. Auch im belgischen Film „Binti‟ (Frederike Migom, 2019) hecken die gleichnamige Protagonistin und ihr neuer Freund Elias in einem stattlichen Baumhaus Pläne aus, um ihren Eltern aus der Misere zu helfen und sie auch ein wenig zu verkuppeln. „Die Baumhauskönige‟ wiederum heißt ein niederländischer Film aus dem Jahr 2014, der in einer Ferien- und Abenteuerszenerie die parabelhaften Rivalitäten von Kindergruppen eskalieren lässt. Ums Dazugehören und Ausgeschlossensein geht es auch bei der Baumhausclique aus „Die Königin von Niendorf‟ (Joya Thome, 2017), die der Titelheldin zunächst den Zutritt verweigert. Doch meistens sind die Baumhäuser im Kinderfilm nicht Schauplätze von Konflikten. Im Gegenteil: Sie sind Rückzugsräume des idealisierten Kindseins.

Über ihrer ganzen Einrichtung wird ein Füllhorn an Versatzstücken aus Fantasy- und Abenteuerfilmen ausgeschüttet. Wo schon Kinderzimmer im Film obligatorisch mit Globus, Sternebeobachtungs- Fernrohr und Raumschiff- oder Flugzeug-Modellen bestückt sind, sehen die Baumhäuser oft aus, wie eine Mischung aus Piratenhöhle, Tipi und Robin-Hood-Hauptquartier. Film ist Fiktion. Da stellen nur knochentrockene Pragmatiker die Frage, welches Kind eine geräumige Hütte, in der wie bei den Vorstadtkrokodilen oder bei den Wilden Hühnern eine ganze Clique Platz hat, in die Krone eines Baumes zimmern kann und ob in einem Land wie Deutschland Jugendamt, Ordnungsamt und Forstamt in Ruhe zuschauen würden, wenn in den Wäldern Kinder-Favelas aus den Ästen sprießen. Allein schon unter dem Aspekt der Sicherheit zeichnet sich da einiger Regelungsbedarf ab.

"Fritzi - Eine Wendewundergeschichte" (c) Weltkino

 

Doch das ist hoffentlich nicht der wichtigste Aspekt, der Eltern ins Auge springt, wenn die Titelheldin des Animationsfilms „Fritzi – Eine Wendewundergeschichte‟ (Ralf Kukula, Matthias Bruhn, 2019) von ihrem mindestens 10 Meter hohen Baumhaus über eine schmale Planke freihändig zum Balkon ihrer Eltern-Wohnung balanciert. Da ist der Gedanke „Mein Gott, wenn mein Kind das nachmacht...“ vielleicht nicht ganz so reflexhaft, denn Animationsfiguren sind nicht wirklich aus Fleisch und Blut. Sie brechen sich selten die Knochen, wie wir von „Tom und Jerry‟ wissen. Vielleicht ist es genau das, was den Reiz des Baumhauses ausmacht: Es birgt ein Stück Mutprobe im Sinne eines Hochseilgartens und zugleich ist es der Ort, wo Kinder ganz unter sich sein können. Das können sie im Kinderzimmer nämlich nicht. Da kann jederzeit ein Elternteil reinplatzen. Außerdem sind Baumhäuser äußerst naturnah und so sehen Erwachsene auch die Kindheit am liebsten: Statt Daddeln mit dem Smartphone Spielen im Wald.

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