Ich sehe was 2025-9: Filme gegen Rechts!
Totalitarismus und Widerstand
Jugendliche Rebellion gegen totalitäre Systeme im Fantasy- und Science-Fiction-Film
von Denis Sasse
Auseinandersetzungen mit totalitären Systemen finden nicht nur in Dramen statt. Gerade im Fantasy- und Science-Fiction-Film lassen sich viele Geschichten finden, die über Jugendliche in dystopischen autoritären Gesellschaften erzählen. Die Filme lassen sich durch ihre Bezüge zu realhistorischen Ereignissen als Mahnung vor auf Macht und Manipulation ausgerichteten Ideologien verstehen. Aber durch die jugendlichen Protagonist*innen erzählen sie auch über Courage, den Glauben an die Kraft der Gemeinschaft und die Menschlichkeit.

Erzählungen wie Ray Bradburys „Fahrenheit 451“, George Orwells „1984“ und Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ führen totalitäre Systeme vor dystopischer Kulisse vor. Jugendnah behandelt „Die Welle“ extreme Meinungsmanipulation im schulischen Kontext. Während sich diese Klassiker auf den Lehrplänen wiederfinden, spielen auch verschiedenste Fantasy- und Science-Fiction-Filme, die bei Jugendlichen sehr populär sind und jugendliche Protagonist*innen mit ihrem Erleben in den Fokus des Erzählens rücken, stärker als vermutet auf Totalitarismus an und eröffnen symbolische Welten für Erinnerungskultur.
Ganz gleich ob japanischer Anime oder französischer Animationsfilm, ob magische Fantasy oder dystopische Zukunftsvision, diese Welten mögen uns allesamt wie fiktionale Unterhaltung vorkommen, referieren mit ihren phantastischen Narrationen aber auf durchaus realhistorische Ereignisse und mahnen als Erinnerungskultur vor auf Macht und Manipulation ausgerichteten Ideologien. Immer und ohne Einschränkungen werden die autoritären und totalitären politischen Systeme, ganz gleich in welchem Genre, ganz gleich in welchem Setting, als das Böse vorgeführt, als Antagonismen, gegen die sich die jugendlichen Protagonist*innen auflehnen. Dieser Widerstand lässt sie zu den Held*innen der Geschichten werden.
Perspektivwechsel
Eine solche Figur ist Patema, die aus Versehen aus dem Untergrund an die Oberfläche ihrer Welt gelangt und dort in den Himmel zu fallen droht. Denn im Anime „Patema Inverted“ (Yasuhiro Yoshiura, 2013) wird durch ein fehlgeschlagenes Experiment eine Umkehrung der Schwerkraft verursacht. Die Betroffenen, buchstäblich auf den Kopf gestellt, müssen sich als Vertriebene vor einer sich als unfehlbar und rein von Sünden betrachtenden Oberflächengesellschaft in eine Untergrundsiedlung flüchten. Oben regiert ein totalitäres Regime, das bereits in der Schule lehrt, dass die „Invertierten“ im Unten sündhafte Wesen sind. Trotz dieser Weltanschauung ist es der aus der Oberwelt stammende Age, der Patema festhält und sie vor ihrem Aufwärts-Sturz bewahrt.
Die Rettung wird zum Bild einer starken Verbindung. Trotz entgegengesetzter Schwerkraft bestärken die beiden Jugendlichen einander. Immer zuversichtlicher kämpfen sie darum, ihr Miteinander trotz unterschiedlicher Leben, Überzeugungen und Erfahrungen, in einer Welt aufrechtzuerhalten, die sie auseinandertreiben will. Je nach Perspektive steht entweder das Mädchen Patema oder der Junge Age auf dem Kopf. Was für eine Person „oben“ ist, wird für die andere zum „unten“. Die Stärke der beiden Jugendlichen ist ihre Fähigkeit, eine andere Sichtweise anzunehmen. Gemeinsam und aneinander festhaltend beweisen Patema und Age, dass ihre Bindung zueinander stärker ist als die künstlichen Barrieren und Einschränkungen, die ihre Gesellschaft errichtet hat. Aus zwei entgegengesetzten Welten stammend, zeigen sie, dass sie zwei Hälften desselben Ganzen sind.
Eine andere Perspektive nimmt auch „April und die außergewöhnliche Welt“ (Christian Desmares, Franck Ekinci, 2015) ein. In einem „Was wäre wenn…?“-Szenario zeigt der französische Animationsfilm eine alternative Geschichtserzählung, in der die bedeutendsten Wissenschaftler*innen der Historie verschwinden und hierdurch der technologische Fortschritt erstarrt. Die Welt steckt im Dampfzeitalter fest, da die französische Regierung autoritär und stark militarisiert die wissenschaftliche Forschung kontrolliert und reguliert, um den eigenen Machterhalt durch technologische Stagnation zu sichern.
Die etwa 16 Jahre alte April Franklin wird in dieser Welt vom Staat verfolgt, da sie sich gegen die Perspektive dieses einschränkenden Systems auflehnt. Auf einem alten Dachboden irgendwo in Paris versteckt, führt sie im Geheimen die Experimente ihrer ebenfalls verschwundenen Familie fort. Damit setzt sie ein Zeichen für das Streben nach Wissen in einer Welt, in der dieses Wissen als Bedrohung betrachtet wird, da es potenziell das Machtgefüge der Regierung destabilisieren könnte. Aprils Situation spiegelt ein Leben in einer Gesellschaft wider, die durch Angst vor Veränderungen unter Kontrolle gehalten wird. Dennoch bewahrt sie sich ihre neugierige Natur und stellt sich den Einschränkungen entgegen. April möchte mit ihrer jugendlichen Sichtweise in eine bessere Welt blicken, anstatt eine Gesellschaft zu akzeptieren, in der durch die Kontrolle von Bildung und Wissen die Bevölkerung und die Welt im Stillstand gehalten werden.
Symbolfiguren des kollektiven Aufstands
Auch in der „Harry Potter“-Filmreihe findet ein direkter Angriff auf die Bildung statt. Vor allem im filmischen Zweiteiler „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ (David Yates, 2010/2011) rüstet sich die Zauberschule Hogwarts gegen den Angriffskrieg des Magiers Voldemort und seiner Todesser-Gefolgschaft. Manchmal bedarf es eben mehr als nur der einen Held*innenfigur, um sich totalitären Ideologien wirksam entgegenzustellen. So sind weder Harry Potter noch Katniss Everdeen im „Die Tribute von Panem“-Franchise auf sich alleine gestellt, sondern bringen eine rebellische Gemeinschaft mit sich, um ihre jeweiligen Unterdrücker*innen zu Fall zu bringen.
In der Fantasy-Welt von Harry Potter übernimmt Voldemort die Kontrolle über das Zaubereiministerium und setzt seine faschistischen Ideologien durch Angst, Propaganda und Gewalt durch. Harry wird zum Staatsfeind ernannt, das Aussprechen seines Namens zu einer Straftat erklärt. Sein Leben wird zur andauernden Flucht. Harry, Ron und Hermine müssen die Menschen zurücklassen, die ihnen am Herzen liegen. Ron bleibt in immerwährender Ungewissheit darüber, ob sich seine Familie in Sicherheit befindet. Hermine leidet als Muggelgeborene unter ihrer Abstammung, da das Ministerium Zauberer und Hexen mit „normal“-menschlicher Herkunft verfolgt und zwingt, ihr Recht auf Existenz unter Beweis zu stellen. Die drei Freund*innen erleben Isolation und Angst. Aus diesen bedrückenden und verzweifelten Gefühlen heraus erwächst eine Gegenwehr, die sich von der Einigkeit der drei Hauptprotagonist*innen auf weitere Figuren ausweitet. So stellen sich letztendlich auch Neville Longbottom und andere Schüler*innen von Hogwarts der Tyrannei entgegen. Beim Widerstand gegen Voldemorts totalitäre Herrschaft geht es nicht nur um die Titelfigur Harry Potter, sondern darum, dass sich nach und nach immer mehr Menschen gemeinsam als großes Ganzes gegen die Unterdrückung erheben.
Genau das möchte Präsident Snow in „Die Tribute von Panem“ (Gary Ross, 2012) verhindern, lässt je zwei Tribute aus den zwölf verarmten Distrikten Panems in seinen martialischen Hungerspielen gegeneinander antreten und sich in diesem Gladiatorenkampf bis zum Tode bekriegen. Hierdurch beweist er die Dominanz seiner Macht und unterbindet zugleich durch das Gegeneinander jegliches Gefühl von einem Miteinander. Der reichen Bevölkerung des Kapitols bietet er hierdurch wiederum Unterhaltung, eine Bedürfnisbefriedigung, um die elitäre Masse für sich zu gewinnen. Die Jugendliche Katniss betritt die Arena, um ihre jüngere Schwester Prim zu schützen, die eigentlich an den Spielen hätte teilnehmen sollen. Trotzdem muss sie miterleben, wie ein Mädchen im selben Alter wie Prim im Verlauf der Hungerspiele getötet wird. Sie begräbt das Mädchen in der Arena und zeigt eine Geste des Respekts, den Drei-Finger-Gruß, der von Kameras in ganz Panem übertragen zum Zeichen für Gemeinschaft wird. Nach ihrem Sieg trägt Katniss während eines Fernseh-Interviews ein weißes Schwanenkleid. Sie beginnt sich zu drehen und das Kleid fängt Feuer. Eine Transformation lässt ein schwarzes, mit Federn besetztes Spotttölpel-Outfit mitsamt Flügeln zum Vorschein kommen. Aus den Funken der Rebellion wird ein Feuer des Widerstands, aus einer Marionette des Kapitols ein Symbol des Aufstands. Immer mehr Menschen in Panem beginnen einen Spotttölpel-Anstecker zu tragen, geheime Aktionen gegen das Kapitol beginnen, ein Widerstand organisiert sich und letztendlich kommt es zur direkten Auseinandersetzung und dem Sturz des Kapitols. Im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt durch die jugendliche Heldin.

Der Funke, der die Welt verändert
Das „Star Wars“-Franchise zeigt mit Anakin Skywalker eine Heldenfigur, die einen düsteren Umweg nehmen muss. Bevor er seinen Funken findet, erliegt er zuerst der totalitären Macht der Manipulation. Als jugendliche Hauptfigur der Prequel-Trilogie (1999-2005) steht Anakin im starken Kontrast zu seinen Pendants Luke Skywalker aus den Original-Filmen (1977-1983) sowie Rey aus der Sequel-Reihe (2015-2019). Alle drei starten ihre Reisen durch eine weit, weit entfernte Galaxis im Alter von 19 Jahren, verlieren Eltern und Mentoren, begeben sich auf die Suche nach ihrem Platz im Universum und nach ihrer Identität. Luke wird zum Jedi, Rey wird zu einer Skywalker. Anakin verliert sich selbst und gerät unter die manipulative Kontrolle von Kanzler Palpatine, später als Imperator bekannt. Kaum besser wird das Bild vom politischen Totalitarismus, der Aufstieg eines autoritären Regimes und einer damit einhergehenden Schreckensherrschaft sowie der Wiederholung der unterdrückerischen Machtansprüche nachgezeichnet als in den drei „Star Wars“-Trilogien.
Die Verführung von Anakin Skywalker durch Kanzler Palpatine ist hierbei die folgenreichste Manipulation innerhalb der Gesamterzählung. Der Tod seiner Mutter und eine Vision, die ihm den Verlust seiner Liebe Padmé Amidala voraussagt, geben Anakin ein Gefühl von Furcht und Machtlosigkeit. Hierdurch wird er zum Spielball Palpatines, der ihn durch einfache Lösungen für seine schwerwiegenden Probleme zur dunklen Seite der Macht verführt. „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid“, wie Yoda es formuliert. Anakin beteiligt sich durch den Mord an Kindern an der Auslöschung aller Jedi, sichert Palpatine hierdurch die uneingeschränkte Macht seines Imperiums. Aus dem unschuldigen Jungen wird der gefürchtete Darth Vader. Durch seine Maske entmenschlicht, wird diese zugleich zu einem symbolischen Versteck vor den Problemen, vor denen er davongelaufen ist, zugleich ein Gefängnis für seine wahre Identität. Anakin ist aber kein hoffnungsloser Fall. Es ist ein Funke von Menschlichkeit, der ihn letztendlich erlöst. Sein Sohn Luke Skywalker, der ohne Abkürzungen den harten und langen Weg der Ausbildung einer Identität hinter sich bringt und den verführerischen Worten von Imperator Palpatine widersteht, glaubt weiterhin an das Gute in seinem Vater. Trotz aller Gräueltaten vergibt er dem Verführten. Vergebung führt zu Einsicht, Einsicht führt zu Reue, Reue befreit den Funken Menschlichkeit. Darth Vader wird wieder zu Anakin Skywalker und rebelliert selbst gegen die Herrschaft des Imperators.
Der Preis des Widerstands
Bei all den filmischen Happy Ends für diese jugendlichen Figuren dürfen jedoch nicht die vielen inneren Narben vergessen werden, die den Held*innen zugefügt werden und ihnen in der Realität wohl in ewiger Erinnerung bleiben würden. Die Rebellion gegen die Unterdrückung innerhalb dieser Fantasy- und Science-Fiction-Welten fordert ihre Opfer. Es sterben liebgewonnene Menschen und Familienmitglieder. Städte werden zerstört, einzelne Personen oder ganze Völker verlieren ihre Heimat. Menschen werden verfolgt, verstoßen, Menschengruppen ausgelöscht. Das ist leider weder Fantasy noch dystopische Science Fiction, sondern sind Erinnerungen an eine bedrückende Vergangenheit der realen Welt, die hier durch fiktionale Abbilder als Erinnerungskultur vorgeführt werden.
Umso schöner, wenn diese jungen Held*innen, die für ihre und für eine bessere Zukunft ganz allgemein kämpfen, mit ihren Handlungen und Taten ein Zeichen gegen totalitäre Systeme setzen. In „Star Wars“ ist die Rede vom Funken der Rebellion, der das Feuer entfachen wird. Dieser Funke steckt nicht nur in den fiktionalen Held*innen dieser Geschichten und ist ein schönes Bild, um durch dieses entfachte Feuer die politische Brandmauer zu errichten.