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Fritzi – Eine Wendewundergeschichte

Deutsch-deutsche Geschichte für Kinder in einem Animationsfilm – ein mutiges Unterfangen, das gelungen ist.

Vor zehn Jahren entdeckte Regisseur und Produzent Ralf Kukula das Kinderbuch „Fritzi war dabei. Eine Wendewundergeschichte“ von Hanna Schott mit zahlreichen Illustrationen von Gerda Raidt, ein spannendes Geschichtsbuch für Kinder, in dem ein zehnjähriges Mädchen aus Leipzig seine Eindrücke von der Friedlichen Revolution 1989 in der DDR schildert. Das Buch beeindruckte Ralf Kukula so sehr, dass er für die Balance Film die Verfilmungsrechte erwarb. Passend zum 30. Jahrestag des Mauerfalls kommt der ambitionierte, hochemotionale Animationsfilm nun ins Kino.

„Fritzi‟ ist ein gelungenes gesamtdeutsches Projekt, wurden doch die für die Regie verantwortlichen Filmemacher in beiden Teilen Deutschlands geboren: Ralf Kukula 1962 in Dresden und Matthias Bruhn in demselben Jahr in Bielefeld. Ihre unterschiedliche Sozialisation und ihre dementsprechende unterschiedliche Sichtweise auf die Wendeereignisse flossen auf eine sich äußerst befruchtende und „Ostalgie“-freie Art in das Projekt ein. Für das Drehbuch zeichnet hauptsächlich die Dramaturgin und Autorin Beate Völcker verantwortlich, die die junge Beobachterin und Kommentatorin der Friedlichen Revolution aus der literarischen Vorlage nun in ein aktiv handelndes Mädchen verwandelt hat.

Wie im Buch schreiben wir das Jahr 1989 in Leipzig. Fritzi hört in den Nachrichten, dass immer mehr Menschen in den Westen fliehen. Als ihre allerbeste Freundin Sophie mit ihrer Mutter nach Ungarn in die Ferien fährt, denkt sie sich nichts Schlimmes. Sicher wundert sie sich, dass die beiden so viel Gepäck mitnehmen und Sophie ihren Hund Sputnik in Fritzis Obhut gibt. Nun hat die Schule wieder begonnen und Sophie ist noch nicht zurück. Während der Klassenclown Benni munkelt, die Hippies seien in den Westen rübergemacht, lässt sich die neue, regimetreue Klassenlehrerin Frau Liesegang auf keine Gespräche über das Fehlen von Sophie ein. Im Gegenteil. „Republikflucht“ ist für sie ein Verbrechen. Auch den neuen Mitschüler Bela benachteiligt sie bei jeder Gelegenheit, nur weil er kein Pionier ist und sein Vater sich in der Friedensbewegung engagiert. Schon bald freundet sich Fritzi mit Bela an und kommt durch ihn zu den Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche und den Montagsdemonstrationen. Als Sophie eines Tages aus Ungarn anruft und erzählt, dass sie wirklich nicht mehr in die DDR zurückkehren wird, fasst die 13-jährige Fritzi einen Entschluss: Sie will eine Reise nach Ungarn buchen, um Sputnik zu Sophie zu bringen. Als dies nicht gelingt, plant sie, während der Klassenfahrt die streng bewachte Grenze zum Westen zu überwinden. Und Bela, dem Fritzi ihr Geheimnis anvertraut, soll ihr dabei helfen.

Es ist bemerkenswert, mit welcher Sorgfalt und Genauigkeit an diesem Projekt, das schließlich zu einer deutsch-luxemburgisch-belgisch-tschechischen Koproduktion herangewachsen ist, gearbeitet wurde. Nicht nur, dass die historischen Fakten, die offiziellen ideologischen Floskeln genau recherchiert und die Nachrichten teilweise mit Original-O-Tönen versehen wurden, auch die Bilder, die bei aller Farbigkeit wie mit einem Grauschleier überzogen scheinen, spiegeln authentisch die Lebenswelten in der damaligen DDR wider. In vielen kleinen Details – seien es die Namen der Geschäfte oder der Schule von Fritzi, das Wandmosaik im Foyer, die Wandzeitung mit einer Titelseite aus der „ABC-Zeitung“ bis hin zu dem Muster der Sitzpolster im Bus – finden sich Dinge aus der DDR-Zeit wieder. Dazu kommt eine erstaunliche atmosphärische Dichte, ob in den Szenen an der Grenze oder wenn nachts in den leeren Straßen von Leipzig nur das Flackern der Fernseher in den Fenstern zu sehen ist.

Noch bemerkenswerter aber ist, wie diese differenzierte Geschichtsschreibung für Kinder herunterdekliniert und damit für ein junges Publikum interessant und verständlich gemacht wurde. Die Ereignisse um die Wende in der DDR werden konsequent aus Fritzis Sicht erzählt, was nichtsdestotrotz auch für ein erwachsenes Publikum äußerst interessant ist. All ihre Handlungen richten sich ungewollt gegen die Obrigkeit, sie entstehen aus der naiven Logik und Direktheit einer Zwölfjährigen. Es ist ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, der Fritzi sich zu einem politisch denkenden Kind entwickeln lässt. Doch bei aller Politik ist Fritzi zuvorderst ein Mädchen, das gern im Baumhaus spielt, mit Hund Sputnik herumtollt und dessen Kniestrümpfe ständig herunterrutschen.

Barbara Felsmann

© Weltkino
9+
Animation

Fritzi – Eine Wendewundergeschichte - Deutschland, Luxemburg, Belgien, Tschechien 2019, Regie: Ralf Kukula, Matthias Bruhn, Kinostart: 09.10.2019, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 9 Jahren, Laufzeit: 86 Min. Buch: Beate Völcker, Péter Palátsik, nach dem Roman „Fritzi war dabei‟ von Hanna Schott und Gerda Raidt. Musik: André Dziezuk. Schnitt: Stefan Urlaß. Produktion: Produzenten: Richard Lutterbeck, Ralf Kukula, Patrick Quinet, Stéphane Quinet, Pierre Urbain, Martin Vandas, Alena Vandasová. Verleih: Weltkino

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