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Stupid Young Heart

Entdeckt bei der Berlinale (Generation): Ein minderjähriges Paar erwartet ein Kind – und der zukünftige Vater driftet in die rechte Szene ab.

Wenn Minderjährige ein Kind zeugen und dann vor der vom unmittelbaren Lebensumfeld beeinflussten Wahl stehen, als Vater Verantwortung zu übernehmen und als Mutter das Kind auszutragen oder abzutreiben, ist das ein Thema, das Coming-of-Age-Filme in zahlreichen Variationen schon wiederholt aufgegriffen haben. Beispielsweise könnte das Kind gar nicht vom auserwählten Vater stammen wie in „Danmark“ (Kasper Rune Larsen, Dänemark 2017), in dem sich der Vater komplett aus der Affäre zieht und die Eltern und Großeltern dem Mädchen entweder hilfreich zur Seite stehen oder umgekehrt jede Unterstützung verweigern. Andere Filme wiederum erzählen davon, wie junge Menschen ohne hinreichenden familiären Rückhalt plötzlich in die rechte Szene abdriften, weil sie sich nur dort akzeptiert fühlen, wie etwa in „This is England“ (Shane Meadows, Großbritannien 2006). Die erfahrene finnische Regisseurin Selma Vilhunen versucht dagegen, in ihrem Film „Stupid Young Heart“ diese beiden, an sich eher disparaten Themen miteinander zu verknüpfen. Eine interessante Konstellation, die zwar nicht in allen Details überzeugt, aber neue Perspektiven eröffnet und die Jugendjury bei Generation 2019 dazu bewog, den Film mit dem Gläsernen Bären auszuzeichnen. Er „greift Themen auf, die vor allem für unsere Altersklasse von großer Relevanz sind“, heißt es dazu in der Begründung.

Lenny, ein schmächtiger Junge aus zerrüttetem Elternhaus, ist schon lange in Kiira verliebt, die aus einem liberal-bürgerlichen Elternhaus stammt und Star einer Tanzgruppe ist. Auf einer Party kommen sich beide endlich sehr nahe und der Schwangerschaftstest lässt keinen Zweifel am Ergebnis. Als Kiiras Mutter den Test entdeckt, rät sie ihrer Tochter sofort zur Abtreibung. Doch Kiira möchte das Kind behalten und wird von Lenny in diesem Entschluss voll unterstützt, zumal dieser sich in seiner Männlichkeit bestätigt fühlt. Wunschvorstellung und Realität klaffen in den Monaten der Schwangerschaft aber immer weiter auseinander. Die beiden streiten sich häufiger und sind dem sozialen Druck ihrer Umwelt fast schutzlos ausgeliefert, insbesondere wenn es um die Gestaltung der Freizeit geht. Während sich bei Kiira eine tiefe Enttäuschung breit macht, schließt sich Lenny einer Gruppe von Männern unterschiedlichen Alters an, die ihre eigenen Fehler und Schwächen auf andere Menschen mit unmittelbarem Migrationshintergrund und überwiegend schwarzer Hautfarbe projizieren. Diese sollen alle aus Finnland verschwinden und notfalls werde man mit Gewalt nachhelfen, was der Film zum Glück aber nicht voll ausspielt. Kurz vor der Niederkunft lässt sich Lenny als äußeres Zeichen seiner neuen Zugehörigkeit den Kopf kahl scheren, was bei den Eltern seiner Freundin offene Ablehnung und Entsetzen hervorruft und Kiira noch weiter von ihm entfremdet.

Der Regisseurin war offensichtlich sehr daran gelegen, nicht nur Klischees aus beiden Themenbereichen zu bemühen und den beiden Liebenden am Ende noch eine kleine Chance für die Zukunft zu eröffnen. So vermeidet sie es konsequent, den orientierungslos vor sich hintreibenden Lenny auch nur ansatzweise in die Schublade Neonazi zu stecken. In seiner allergrößten Verzweiflung, als er bereits glaubt, endgültig all das verloren zu haben, was ihm wichtig war, erhält er ausgerechnet von einem Migranten Trost und tatkräftige Unterstützung. Das wirkt dann doch etwas zu geschönt, denn immerhin hatte Lenny ihm zuvor das Auto demoliert, das dieser dringend für seinen Lebensunterhalt benötigt. So viel Empathie und Herzensgüte wäre wohl nicht nötig gewesen, um die zunehmende Fremdenfeindlichkeit eines Teils der Bevölkerung ad absurdum zu führen und dagegen Stellung zu beziehen. Das offene Ende des Films unterbricht immerhin die scheinbar unausweichliche Abwärtsspirale einer gescheiterten Beziehung und wenn Lenny seine neugeborene Tochter in den Armen hält, scheint doch alles wieder möglich – nichts ist unwahrscheinlich.

Holger Twele

© (c) Berlinale, Uwa Iduozee
16+
Spielfilm

Hölmö nuori sydän - Finnland, Niederlande, Schweden 2018, Regie: Selma Vilhunen, Festivalstart: 12.02.2019, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 16 Jahren, Laufzeit: 102 Min., Buch: Kirsikka Saari, Kamera: Lisabi Fridell, Schnitt: Michal Leszczylowski, Yva Fabricius, Musik: Timo Dirksen, Produktion: Elli Toivoniemi, Venla Hellstedt, Besetzung: Jere Ristseppä (Lenni), Rosa Honkonen (Kiira), Abshir Sheikh Nur (Abdi), Pihla Vitala (Ansku) u. a.

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