Kommissar Gordon und Buffy
Eine alte Kröte und eine junge Maus werden zu einem bezaubernden Ermittlerduo in diesem animierten Krimi.
Kommissar Gordon ist in einem Alter, in dem man gerne an Ruhestand denkt. Seit vielen Jahren sorgt er als Polizeichef für ein friedliches Miteinander unter den Waldbewohner*innen und beschützt die Familien vor dem gefährlichen Fuchs – für die gestandene Kriminalkröte die größte Herausforderung im ansonsten ruhigen Polizeialltag. Da reißt ihn Eichhörnchen Waldemar aus seinen Tagträumen: Jemand hat seine geliebten Nüsse gestohlen! Dies ist der Auftakt des warmherzigen und originellen Animationsfilms, der sich uneingeschränkt auch für jüngere Kinder empfiehlt – und das, obwohl er doch das Krimigenre bedient.
Linda Hambäcks Langfilmdebüt basiert auf der mittlerweile vier Bände umfassenden, preisgekrönten Kinderbuchreihe „Kommissar Gordon“ des schwedischen Schriftstellers Ulf Nilsson (auf Deutsch erschienen im Moritz Verlag). Dem Film liegen die Bände „Der erste Fall“ und „Doch noch ein Fall“ zugrunde, als zwei aneinander anschließende Episoden. Die erste erzählt vom Nussdiebstahl und wie Kommissar Gordon und die Maus Buffy sich kennenlernen, die zweite von Buffys großer Bewährungsprobe im Fall der verschwundenen Kinder.
Dies bietet viel Spielraum für augenzwinkernde Anleihen an skandinavische Krimis à la Wallander & Co.: Mit der Ausdauer des erfahrenen Kriminalisten observiert Gordon den Tatort, bis er einschneit. Genretypisch sind auch Gordons „Fuchs-Trauma“ oder etwa die melancholische Note, die dem alternden, im Grunde einsamen Polizeichef zueigen ist – bis Buffy in sein Leben tritt: Die hungrige Maus, die vor seinen Augen eine Nuss stibitzt, ist nicht der Täter, sondern ein armes Geschöpf, das noch nicht einmal einen Namen besitzt. Der fürsorgliche Gordon gibt ihr einen Namen, ein Zuhause und einen Job: Fortan assistiert Buffy dem Kommissar bereitwillig bei seinen Ermittlungen mit ihrer ausgezeichneten Spürnase, Behändigkeit und klugen Einfällen. So sind nicht nur bald die Nussdiebe gefunden, sondern auch eine würdige Nachfolgerin. Gordon höchstselbst übernimmt Buffys Ausbildung, herrlich auch dies den Polizeikrimis abgeguckt, Trainingseinheiten und verdeckte Ermittlungstechniken inklusive. Ganz nebenbei vermitteln sich hier Werte wie Empathie, Nächstenliebe und Vertrauen.
Gordons gemütlich tickende Wanduhr scheint das entschleunigte Erzähltempo des Films vorzugeben, es wird linear erzählt ohne ablenkende Nebenstränge – eben eins nach dem anderen, wie es Gordons Credo guter Polizeiarbeit entspricht. Die Dialoge lassen genug Pausen, in denen jüngere Zuschauer*innen das Geschehen verarbeiten können. Geglückt ist auch die deutsche Synchronisation: Ganz passend brummt Sven Brieger den alten Krötenkomissar (in der schwedischen Originalversion niemand Geringeres als Stellan Skarsgård), Maus Buffy wird von Lotta Doll gesprochen, die bereits im Hörbuch „Kommissar Gordon – der erste Fall“ (Headroom Verlag) diese Rolle übernahm.
Der klassische 2D-Zeichentrickstil und die Aquarelltechnik mit einer pastellen bis leuchtenden Farbpalette greifen die Ästhetik der Buchillustrationen von Gitte Spee auf. Gleich die ersten Bilder führen mitten hinein in die Bilderbuchidylle des tief verschneiten Winterwaldes. Dieser Retrolook ist weder verkitscht noch altbacken, dafür sorgen schon die charakterstarken Figuren. Ein übriges tut die Dramaturgie: Ganz zeitgemäß kümmert sich Vater Hase zuhause ums Kochen und zwei Mütter sorgen sich um ihren Eichhörnchenspross Elliott. Denn kaum hat Gordon den Chefposten samt gewichtigem Polizeistempel an Buffy übergeben und sich in sein Rentnerleben am See zurückgezogen, werden erst ein Elster-Ei, dann Elliott und seine Hasenfreundin Karin vermisst. Dahinter kann nur der Fuchs stecken, sind sich alle angstvoll einig. Das ist eine Nummer zu groß für Buffy allein. Am Ende steht die Erkenntnis, dass Vorurteile nicht immer zur Wahrheit führen und Teamarbeit sowieso schöner ist.
Der konsequente Verzicht auf krachende Action in knallbunter Comicmanier und übersprudelnden Slapstick-Dialogwitz ist eine der Stärken des Films und macht ihn auch kleineren Kindern zugänglich, ohne dadurch filmerprobteres Publikum zu verlieren. Der viel erwähnte Fuchs, das „tödliche Tier“, schleicht meist nur als vager Schatten durchs Bild, spricht als einziges Tier nicht, bleibt auch dadurch eine eher abstrakte Idee von Gefahr. Wenn es dann doch mal konkreter wird, bekommt das Publikum einen Wissensvorsprung: Die vermissten Kinder werden gezeigt, wie sie auf eigene Faust vergnügt durch den Wald streifen.
Linda Hambäck ist 2018 auf dem Internationalen Kinder- und Jugendfilmfestival BUFF in Malmö (Schweden) für ihre „Weltklasse-Animationsfilme für Kinder“ ausgezeichnet worden. Ihr Film lief bereits 2018 in der Kinderfilmreihe Kplus der Berlinale und auf dem Kinderfilmfest München. Jetzt erst hat sich ein deutscher Verleih gefunden, der diesen zauberhaften Film auf die große Leinwand bringt – ein Happy End für Gordon, Buffy und das deutsche Kinopublikum.
Ulrike Seyffarth
Gordon och Paddy - Schweden 2017, Regie: Linda Hambäck, Kinostart: 28.02.2019, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 5 Jahren, Laufzeit: 65 Min., Buch: Janne Vierth und Ulf Nilsson, nach den „Kommissar Gordon“-Kinderbüchern von Ulf Nilsson und Gitte Spee (Illustrationen), Kamera: Elinor Bergman, Gabriel Mkrttchian, Schnitt: Elinor Bergman, Linda Hambäck, Hannes Knutsson, Musik: Martin Landquist, Produktion: Linda Hambäck, Lina Jonsson, Verleih: Eksystent, Sprecher*innen (deutsche Fassung): Sven Brieger (Kommissar Gordon), Lotta Doll (Buffy) u. a.
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