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Forever

Auf Netlix: Nach Judy Blumes Roman „Forever“ erforscht diese mitreißende Serie das Kribbeln und die Enttäuschungen der ersten großen Liebe.

Manchmal, wenn zwei Menschen aufeinandertreffen, liegt gleich ein Hauch von Magie in der Luft. Irgendetwas packt sie, zieht sie an. Genau erklären lässt sich die besondere Atmosphäre meistens jedoch nicht. Auch in der Netflix-Serie „Forever“, inspiriert von Judy Blumes gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1975, erwischt es die beiden afroamerikanischen Hauptfiguren aus heiterem Himmel. Keisha und Justin, die sich aus Kindertagen kennen, laufen sich als Jugendliche auf einer Party über den Weg. Dank der starken Chemie zwischen Lovie Simone und Michael Cooper Jr. spürt man gleich, dass ihre Figuren auf einer Wellenlänge funken, dass zwischen ihnen etwas Besonderes entstehen könnte.

Auf den verheißungsvollen Start folgt allerdings eine Achterbahnfahrt, wie sie womöglich viele Zuschauer*innen selbst schon mal erlebt haben. Was es heißt, bis über beide Ohren verliebt zu sein, sehnsüchtig auf eine Nachricht zu warten, sich über Verletzungen zu ärgern und wieder neu zu hoffen – das transportiert „Forever“ in sonnendurchfluteten Bildern auf ebenso leichtfüßige wie ergreifende Weise. Filme und Serien mit romantischer Stoßrichtung gibt es wie Sand am Meer. Selten aber tauchen darin Charaktere auf, die sich derart lebensecht anfühlen wie hier. Keisha und Justin wirken nicht wie erzählerische Werkzeuge, die einen Plot vorantreiben sollen, sondern wie Menschen aus Fleisch und Blut mit nachvollziehbaren Ängsten, Sorgen und Wünschen.

Warum das so ist? Zum einen, weil – absolut verdiente Wiederholung – Lovie Simone und Michael Cooper Jr. ihre Rollen bemerkenswert nuanciert verkörpern. Zum anderen, weil die Macher*innen rund um Showrunnerin Mara Brock Akil nicht einfach nur Dinge in den Raum stellen. Vielmehr beschreiben sie das Umfeld, in dem Keisha und Justin aufwachsen, mit großer Präzision. Beide müssen nicht nur mit ihrem emotionalen Chaos klarkommen. Gleichzeitig lastet auf ihnen auch Druck von außen. Das Ende der Highschool-Zeit steht vor der Tür. Und, wie in den USA nicht unüblich, könnten Sportstipendien den Weg in angesehene Colleges ebnen. Keisha ist eine gute Läuferin, Justin ein talentierter Basketballspieler. Doch ausgerechnet ihre aufblühende Liebe droht, Ziele und Erwartungen zu gefährden, den Fokus zu verschieben.

Bei Ausbildungsrückschlägen wäre Justin, der aus wohlhabenden Verhältnissen kommt und mit seiner Familie in den Hügeln über Los Angeles wohnt, abgesichert. Gleichwohl soll auch er Leistung bringen. Seine Eltern erinnern ihn regelmäßig daran, dass er sich nur so in einer nach wie vor von Weißen dominierten Gesellschaft Respekt verschaffen könne.

Größer sind die Belastungen für Keisha. Ihre alleinerziehende Mutter Shelly ist ständig knapp bei Kasse, steckt aber trotzdem alles, was sie hat, in die Laufbahn ihrer Tochter, damit diese es einmal besser hat. Shelly sieht es dann auch als große Chance an, dass sich die gut vernetzte Sportskanone Christian für Keisha interessiert und sie zum Abschlussball führen will – einem in Nordamerika mit großer Bedeutung aufgeladenen Event. Was sie nicht weiß: Die Romanze zwischen ihrer Tochter und Christian ist längst Geschichte, da er ein Video der beiden mit sexuellem Inhalt verbreitet hat. Aus Angst, die Hoffnungen ihrer Mutter zu zerstören, schiebt Keisha eine Offenbarung vor sich her.

Gerade durch die Verhandlung des Sexskandals zeigt „Forever“, wie verwurzelt die gesellschaftliche Doppelmoral im Umgang mit weiblicher Sexualität auch heute noch ist. Während Keisha das Geschehen verfolgt, sie überall schief angeschaut oder beschimpft wird, kann Christian einfach weiter weitermachen wie zuvor. Ihm hängt nichts nach. Zum Teil wird er sogar gefeiert. Und noch dazu legt er sich eine selten dämliche Ausrede für seinen Vertrauensbruch, seine Straftat zurecht. Kluge Beobachtungen wie diese machen die Romanadaption über jugendliche Liebeswirren und den ersten Sex zu einer echten Perle im Meer der Young-Adult-Streamingtitel. Umso erfreulicher, dass „Forever“ bereits kurz nach der Veröffentlichung der ersten Staffel Anfang Mai 2025 um eine zweite Runde verlängert wurde!

Christopher Diekhaus

© Netflix
15+
Spielfilm

USA 2025, Serien-Idee: Mara Brock Akil, Regie: Regina King, Anthony Hemingway, Thembi Banks, Mara Brock Akil, Homevideostart: 08.05.2025, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 15 Jahren, Laufzeit: 8 Episoden à 43 bis 52 Min., Buch: Mara Brock Akil u. a. nach dem Roman „Forever“ von Judy Blume, Kamera: Michael Fernandez, Chris Manley, Musik: Gary Gunn, Ton: Sean Evans, Schnitt: Karoliina Tuovinen, Naomi Sunrise Filoramo, Angela Latimer, Produktion: Mara Brock Akil / Story 27, Regina King, Reina King / Royal Ties Productions, Streamingdienst: Netflix, Besetzung: Lovie Simone (Keisha Clark), Michael Cooper Jr. (Justin Edwards), Xosha Roquemore (Shelly), Wood Harris (Eric), Karen Pittman (Dawn) u. a.

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