Wenn das Licht zerbricht
Im Kino: Äußerlich gefasst, innerlich zerbrochen. Una hat Diddi verloren – und niemand außer ihr weiß, was das bedeutet.
Una und Diddi haben sich gefunden. Was für ein Wunder die Liebe doch ist. Plötzlich ist da jemand, der über dieselben Sachen lacht, den man anfassen muss, bei dem man sich sicher und geborgen fühlt. Nach einer langen isländischen Nacht sitzt das junge Paar am Meer und schaut zu, wie die letzten Sonnenstrahlen auf den Wellen tanzen und alles in ein sanftes Licht tauchen. „Ich habe keinen Bock mehr auf Heimlichkeiten“, sagt Una, denn eigentlich ist Diddi noch mit Klara zusammen, seiner Freundin aus Schulzeiten. Aber morgen wird er zu ihr reisen, mit ihr Schluss machen, dann können sie endlich allen zeigen, dass sie zusammengehören. „Gute Nacht, meine Süße“, mit diesen Worten schläft Una später in Diddis Armen ein. Als sie morgens allein aufwacht, zu spät zum Seminar kommt, sich eine Performance von Kommilitonen anschaut und ein Ladegerät für ihr Handy sucht, ahnt sie nicht, dass nichts mehr ist, wie es eben noch war. Die Zuschauer*innen wissen das bereits, denn sie haben den riesigen Feuerball gesehen, der durch den Autotunnel wütete. Und sie wissen: Diddi war dort unterwegs.
Junge Menschen und der Tod. Das passt nicht zusammen. Damit will sich eigentlich niemand beschäftigen, denn ein Leben soll ganz gelebt werden, mit allem, was dazu gehört – mit Reisen auf die Faröer-Inseln oder nach Japan, wie Una und Diddi es sich vorgenommen hatten, mit einem Abschluss an der Kunsthochschule, mit Kindern, vielleicht irgendwann. Keine Zukunft mehr. Nicht zu ertragen ist dieser Gedanke. Und doch findet dieses Thema immer wieder ins Kino, weil der Tod das Jungsein, die Liebe, die vielen, womöglich letzten Momente noch intensiver macht – man denke nur an den Erfolg von „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ (Josh Boone, USA 2014). Aber von diesem Film ist „Wenn das Licht zerbricht“ weit entfernt, der trotz seiner emotionalen Fallhöhe kein Melodram ist und dennoch nie Angst vor großen Gefühlen hat. Als Gunni, Diddis Mitbewohner und ein gemeinsamer Freund, völlig verheult vor Una steht, ist sie zunächst diejenige, die auf dem Boden bleibt, die eine Schulter zum Anlehnen bietet. Doch irgendwann weicht alle Hoffnung der Gewissheit, dass Diddi unter den vielen Opfern der Brandkatastrophe ist.
Rúnar Rúnarsson bleibt in „Wenn das Licht zerbricht“ ganz bei seiner Hauptfigur Una, die auf den ersten Blick so selbstbeherrscht wirkt, mit ihren kurzen, streng zurückgekämmten Haaren, ihrem Porzellanteint, dem burschikosen Kleidungsstil. Elín Hall gibt sie einfühlsam und zugleich mit allergrößter Zurückhaltung. Alles spielt sich in ihrem klaren Gesicht ab. Man kann ihr dabei zuschauen, wie sie langsam begreift, dass sie Diddi für immer verloren hat, diese Tatsache aber eigentlich nicht fassen kann. Und noch schlimmer: Während Gunni, seine Clique und schließlich auch die angereiste Klara hemmungslos weinen und trauern dürfen, findet Una keinen Raum für ihren Schmerz, keine Worte für ihren Verlust. Denn offiziell weiß eben niemand, dass Diddi für sie nicht nur ein guter Freund, sondern die ganze Welt war, die nun wie entfärbt wirkt.
Es sind die Bilder, die alles tragen. Keine wortreichen Erklärungen sind notwendig, nur sparsam setzt Regisseur Rúnarsson ein frühes, sakral anmutendes Musikstück des 2018 verstorbenen Komponisten Jóhann Jóhannsson ein, den er persönlich gekannt hat. Una – nicht umsonst trägt sie diesen sprechenden Namen – ist fortan fast immer mit Diddis Freunden und Klara zusammen und zugleich furchtbar allein. Immer wieder trennen Glaswände und Fenster sie von ihrer Umgebung, engen sie ein, wird sie in Spiegelungen auf sich selbst zurückgeworfen. Eine Begegnung mit Klara findet vor einem großen Spiegel statt und verdeutlicht die Distanz zwischen den beiden jungen Frauen, die denselben Mann geliebt haben. Später verschmelzen ihre Gesichter miteinander in einer Spiegelung – eine Anspielung auf Liv Ullmann und Bibi Andersson in Ingmar Bergmans Psychodrama „Persona“ (1968).
Unas stilles Leid zerreißt einen förmlich beim Zusehen. Sie weiß nicht wohin mit sich, sie wünscht sich dieselbe Anteilnahme, die Klara als seine „verwitwete“ Freundin von allen Seiten erfährt. Und doch findet zwischen ihnen allmählich eine Übereinkunft statt, die keiner Worte bedarf. Unaufgeregt und voller Anteilnahme erzählt „Wenn das Licht zerbricht“ von einem schicksalshaften Tag, der dort enden wird, wo er auch anfing: am Meer bei Sonnenuntergang. Die Trauerarbeit wird erst jetzt beginnen, aber Una und ihre Freund*innen sind nicht allein: Sie halten sich gegenseitig, schauen ins Licht und leben ihr Leben.
Kirsten Taylor
Ljósbrot - Island, Niederlande, Kroatien, Frankreich 2024, Regie: Rúnar Rúnarsson, Kinostart: 08.05.2025, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 15 Jahren, Laufzeit: 80 Min., Buch: Rúnar Rúnarsson, Kamera: Sophia Olsson, Schnitt: Andri Steinn Gudjonsson, Musik: Jóhann Jóhannsson, Produktion: Heather Millard, Rúnar Rúnarsson, Verleih: Neue Visionen, Besetzung: Elín Hall (Una), Mikael Kaaber (Gunni), Katla Njálsdóttir (Klara), Baldur Einarsson (Diddi), Gunnar Hrafn Kristjánsson (Siggi) u.a.



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