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Julie bleibt still

Im Kino: Intensives Drama um eine introvertierte junge Tennisspielerin, die auch unter Druck zu den Vorwürfen gegen ihren Trainer schweigt.

Die Eingangsszene zeigt Julie allein beim Training: Konzentriert wiederholt sie endlos dieselben schweißtreibenden Bewegungsabläufe von Aufschlag, Vor- und Rückhand – mit Tennisschläger, aber ohne Ball. Diese einsame Pantomime ohne das typische „Plopp“ der Tennisbälle nimmt Julies titelgebendes Schweigen vorweg, verrät gleichzeitig einiges über ihren Charakter und etabliert ihren isolierten Sonderstatus in der Tennisschule.

Als der Suizid der ehemaligen Tenniselevin Aline zur Suspendierung von Julies Trainer Jeremy führt, ist sie es, die von ihren Mitschüler*innen mit Fragen bestürmt wird. Schließlich ist sie „seine“ Julie, niemand sonst hat ein so enges Verhältnis zu Jeremy. Auch die Schulleitung, die von allen Schüler*innen Aussagen einholt, erhofft sich von ihr entscheidende Informationen zur Aufklärung der schwerwiegenden Vorwürfe, die den Ruf der Schule gefährden. Aber die introvertierte Teenagerin schweigt – nicht nur, weil sie ungern im Rampenlicht steht, wie sie einmal ihrem Ersatztrainer Backie erklärt. Äußerlich unbewegt, arbeitet es in ihr. Sollte sie aussagen? Welche Konsequenzen hätte das für ihre angestrebte Karriere? Immer wieder ruft Julie Alines Profil in den sozialen Medien auf, klickt auf die Videobotschaften dieser jungen Frau, der sie so ähnlich ist – auch wenn Jeremy, zu dem sie heimlich Kontakt hält, ihr etwas anderes weismachen will. Die Dimensionen seines Einflusses auf Julie werden peu à peu, durch wohldosierte Informationen in der Kommunikation zwischen erwachsenem Trainer und minderjähriger Schülerin offenbar. Jeremys Worte wirken wie ein psychologisches Gift, das er seiner Schutzbefohlenen ins Ohr träufelt.

Während der Trainer eindimensional unsympathisch angelegt ist, haben wir es bei Julie mit einer komplexen Figur zutun. Ihr Schweigen kann als Symptom für Überforderung, Handlungsunfähigkeit und Fremdbestimmung interpretiert werden. Pauschal als Opfer inszeniert, wird Julie hier aber nicht. So treffen wir gleichzeitig auf eine Heranwachsende, die – versinnbildlicht durch ihren kraftvollen „Kick“-Aufschlag – auch über große Stärke verfügt. Auf eine junge Frau, die Disziplin, Ehrgeiz, Fleiß und gehorsame Hingabe zum Sport mitbringt. Etwas, das zwar von allen, aber ganz besonders von ihr erwartet wird, dem vielversprechenden Nachwuchstalent für den belgischen Tennissport.

Leonardo van Dijls mehrfach ausgezeichnetes Regiedebüt, das 2024 in Cannes Weltpremiere feierte, kann daher auch als (nicht zwingend kritische) Studie über professionellen Tennis-Nachwuchssport mit seinen strengen Regeln und bestehenden Machtstrukturen im Spieler*in-Trainer*in-Verhältnis verstanden werden. Julies durchgetaktetes Leben besteht fast ausschließlich aus Pflichten: Training auf dem Court, Fitnessraum oder Joggen, alternativ Schulunterricht und Hausaufgaben. Selbst unter den Mitschüler*innen, die ihr durchaus freundschaftlich begegnen – vielleicht auch, weil sie mit ihr gewinnen, wie sie einmal sagen –, wirkt sie einsam. Die Kamera von Nicolas Karakatsanis („I, Tonya“, Craig Gillespie, 2018) fängt das in grobkörnigen 35mm-Bilder ein. Oft ist der Hintergrund verschwommen, Julie von ihrer Umwelt isoliert. Dunkle, schattenreiche Bilder und das kalte Kunstlicht in Tennishalle und Kraftraum spiegeln zudem Julies innere Verfassung wider. Die ständigen gutgemeinten Nachfragen, ob sie „okay ist“, erhöhen ungewollt den Druck. Und obwohl sie Tennis liebt, ist ihr nur selten Freude anzumerken. Deshalb freuen wir uns umso mehr, wenn sie sich von ihren Freund*innen zur Teilnahme am Regionalturnier überreden lässt und anschließend Freizeit am Pool verbringt. Denn ausgelassen und inmitten anderer sehen wir Julie nicht häufig, oft ist sie allein. Auch bei ihrer Entscheidungsfindung. Denn letzlich ist es eine kleine, nicht für sie bestimmte Information, die ihr zu einer Entscheidung verhilft. Einer, die für das Publikum lediglich vage bleibt.

Ulrike Seyffarth

© Eksystent
14+
Spielfilm

Julie zwijgt - Belgien, Schweden 2024, Regie: Leonardo Van Dijl, Kinostart: 24.04.2025, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 100 Min., Buch: Leonardo van Dijl & Ruth Becquart, Kamera: Nicolas Karakatsanis, Schnitt: Bert Jacobs, Caroline Shaw, Ton: Arne Winderickx, Produktion: De Wereldvrede (Gilles De Schryver, Gilles Coulier, Wouter Sap, Roxanne Sarkozi), Verleih: Eksystent, Besetzung: Tessa Van den Broeck (Julie), Laurent Caron (Jérémy), Pierre Gervais (Backie), Claire Bodson (Sofie), Koen De Bouw (Tom, Julies Vater), Ruth Becquart (Liesbeth, Julies Mutter) u.a.

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Altersempfehlung 14-18 Jahre

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