Nina und das Geheimnis des Igels
Im Kino: Zwei 10-jährige planen einen Überfall, um eine Familien-Misere abzuwenden. Dabei helfen ihnen Mut, Überlegtheit und vor allem Fantasie.
Kinder lieben Geschichten, so wie die zehnjährige Nina. Wenn ihr Vater ihr allabendlich von einem Igel erzählt, der die Welt entdeckt und sich in den unterschiedlichsten Berufen versucht, mal als Masseur, mal als Automechaniker, aber immer wieder auf amüsante Weise mit seinen Stacheln aneckt. Doch als die Fabrik, in der der Vater gearbeitet hat, geschlossen wird, hat dieser keine Muße mehr für originelle Gutenachtgeschichten. Im Gegenteil: Er ist traurig und verändert. Die untätig verbrachten Tage und die ungewisse Zukunft setzen ihm zusehends zu, und er hat weder Muße noch Kraft dafür, seine Tochter mit einer neuen Episode aus der Welt des entdeckungsfreudigen Igels ins Bett zu bringen.
Nina spürt, dass sie etwas tun muss und will – nicht nur der Igel-Abenteuer wegen. Sie hat davon gehört, dass der frühere Manager der Fabrik Geld gestohlen und versteckt hat. Wenn sie nur dieses Geld finden würde und damit ihren Eltern helfen könnte! Zusammen mit ihrem besten Freund Mehdi und dem kleinen Igel im Kopf heckt Nina einen riskanten Plan aus.
Die Kinder suchen das verlassene Fabrikgelände auf, das von einem Verwalter und dessen bissigem Hund bewacht wird, und beobachten zunächst das Geschehen dort von einem Versteck aus. Sie lenken die Wachperson ab, schleichen sich auf das Grundstück und suchen nach dem Schatz. Natürlich geht dabei einiges schief, und der Plan gelingt nicht wie erdacht.
Ganz glaubwürdig sind die abenteuerlichen Ausflüge auf das Fabrikareal nicht, die die beiden Zehnjährigen unternehmen und in ihrer Spektakularität an Geheimagenten- und Heist-Filme erinnern. Als Geschichte aber funktionieren sie trotzdem, weil sie zeigen, was Fantasie und Geschichtenerzählen alles können. Nina und Mehdi haben im gemeinsamen Spiel mit ihren Kuscheltieren schon immer verrückte Sachen erlebt, das führen sie in ihrer etwas überschätzten, aber wohlgemeinten Schatzsuche fort.
Um die Macht von Vorstellungskraft und Geschichten geht es dem Animationsfilm auf vielen Ebenen. Fantastische Geschichten machen den Großteil der Kindheit von Nina und auch Mehdi aus, was im Film in Rückblenden gezeigt wird. Sie beeinflussen das nachmittägliche Spiel ebenso wie die geliebten Zubettgeh-Rituale. Funktionalisierte Geschichten erzählen auch die „Film im Film“-Sequenzen der Igel-Abenteuer, die jeweils passend die Situation von Ninas Vater oder die Ereignisse in der Fabrik umschreiben und – in der Optik alter Stummfilmcartoons in Schwarzweiß wie auch durch den begleitenden Jazz-Soundtrack von Serge Besset – auf erzählerische Formen von einst verweisen.
Im gesamten Film unterstützt die filmästhetische Ebene das Thema Geschichten-Erzählen. Die stark reduzierten Bilder (vor allem der Figuren, Tiere, Gebäude und Zimmereinrichtungen im Vergleich zu den detaillierteren Hintergründen der Naturschauplätze) versuchen gerade nicht, so real und anschaulich wie möglich zu sein, sondern machen auf das Gemachte aufmerksam, das Gezeichnet-Sein, das Künstlerische und Erfundene. Dabei wirken die auf dem Tablet von Hand gezeichneten Bilder von Alain Gagnol und Jean-Loup Felicioli an vielen Stellen wie die bewegten Illustrationen eines Bilderbuches. So wie man auch zunächst auf der Leinwand sieht, wie der Vater mit einem Stift einen Igel auf ein Blatt Papier zeichnet, der – in Form eines Daumenkinos – anfängt sich zu bewegen und – auf einer eigenen narrativen Ebene – ein Eigenleben zu führen.
„Nina und das Geheimnis des Igels“ gelingt es darüber hinaus, wichtige Themen wie Arbeitslosigkeit oder finanzielle Unsicherheit in einem Kinderfilm zu platzieren. Ihre Auswirkungen auf die Erwachsenen wird dabei meist nicht ausgesprochen, sondern aus der Perspektive der Kinder nachfühlbar gemacht: Sie hören Gesprächsfetzen mit und erzählen weiter, was eigentlich nicht für ihre Ohren bestimmt war, sie machen sich ihre eigenen Gedanken dazu, ziehen Schlussfolgerungen und handeln schließlich danach.
Das alles macht den Film zu einem Gesamtkunstwerk. Mag die Handlung selbst etwas konstruiert sein, so ist es doch gerade dieser unverkennbare Schwerpunkt des Geschichtenerzählens und seine künstlerische Umsetzung, die nicht nur Kinder-, sondern auch die Herzen von Filmfans höherschlagen und ihnen die faszinierende Welt des Kinos und seine Geschichte erleben lassen.
Verena Schmöller
Frankreich, Luxemburg 2023, Regie: Alain Gagnol, Jean-Loup Felicioli, Kinostart: 13.03.2025, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 8 Jahren, Laufzeit: 79 Min., Buch: Alain Gagnol, Kamera: künstlerische Bildleitung - Alain Gagnol, Jean-Loup Felicioli, technische Leitung: Benoît Razy, Musik: Serge Besset, Schnitt: Sylvie Perrin, Produktion: Jérôme Duc-Maugé, Pierre Urbain, David Mouraire, Verleih: eksystent Filmverleih, Besetzung: Annika Theusner (Nina), Christian Näthe (der Igel), Zoé Zech (Mehdi), Sandra Schreiber (Camille), Patrick Giese (Vincent) u. a.







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