Baby
Im Kino: Liebes- & Familiengeschichte um einen frisch aus der Haft entlassenen 18-Jährigen, der in São Paulo seinen eigenen Weg zu finden versucht.
Weil er seine Schule voller Wut in Brand gesteckt hat, musste Wellington zwei Jahre im Jugendknast absitzen. Jetzt ist er 18, wird entlassen und weiß nicht wohin. Von einer Nachbarin erfährt Wellington, dass seine Eltern weggezogen seien. Wohin? Keiner weiß es oder will es Wellington sagen. Er findet Zuflucht bei Freund*innen in der LGBTQIA+-Community von São Paulo. Hier lernt er den etwas älteren Stricher Ronaldo kennen. Sie freunden sich an, werden ein Liebespaar. Ronaldo ermuntert Wellington, gemeinsam mit ihm als Stricher Geld zu verdienen. Wellington, der sich fortan „Baby“ nennt, ist hübsch und hat bei Freiern Erfolg. Gegen Demütigungen allerdings setzt er sich zur Wehr. An Ronaldos Drogendeals beteiligt er sich nur zaghaft. Als Baby einen älteren Mann aus der Mittelschicht kennenlernt, hofft er auf den sozialen Aufstieg. Doch die Beziehung scheitert. Baby kehrt zu Ronaldo zurück. Die beiden werden erneut ein Paar. Doch durch Ronaldos Auftraggeber Torres wird Baby immer weiter ins Drogenmilieu verstrickt und schließlich Opfer einer bösen Intrige.
Was wie ein hartes Sozialdrama klingt, ist eine warmherzige Milieustudie ums Erwachsenwerden der Hauptfigur Wellington. Im Laufe der Handlung wird deutlich, dass Ronaldo und Baby starke Gefühle füreinander haben, diese aber letztlich unter den äußeren Umständen, in denen sie leben müssen, nicht ausleben können. Diese sozialkritisch gefärbte Liebesbeziehung wird in Caetanos Film mit einer komplexen Familiengeschichte verwoben, in der Wellington, um als Persönlichkeit zu reifen, seine Familie, insbesondere seine Mutter, wieder finden muss. Bei der Suche hilft Ronaldo gemeinsam mit Priscila, seiner Freundin und Mutter des gemeinsamen Kindes, und deren Freundin Jana.
Kamerafrau Joana Luz filmt die Wiederbegegnung Wellingtons mit seiner Familie mit ebenso großer Sensibilität und Intimität wie die Liebesszenen zwischen Wellington und Ronaldo oder deren Begegnungen mit ihren Freiern. Der Kamerablick verzichtet auf jeden Voyeurismus und unterstreicht damit Caetanos ruhige, immer stets nah an der Figur bleibende Regie. So gelingt Caetano ein überzeugendes und intensives Drama um einen Jungen, der unter schwierigen sozialen Umständen und in der feindseligen Stimmung, die in der Zeit der rechtspopulistischen Bolsonaro-Regierung gegenüber LGBT-Personen noch anwuchs, seinen eigenen Weg sucht und findet.
Werner Barg
Brasilien, Frankreich, Niederlande 2024, Regie: Marcelo Caetano, Kinostart: 20.03.2025, FSK: ab 16, Empfehlung: ab 16 Jahren, Laufzeit: 96 Minuten, Buch: Marcelo Caetano, Gabriel Domingues, Kamera: Joana Luz, Musik: Bruno Prado, Caê Rolfsen, Schnitt: Fabian Remy, Produktion: Stienette Bosklopper, Besetzung: João Pedro Mariano (Baby), Ricardo Teodoro (Ronaldo), Ana Flavia Cavalcanti (Priscila), Bruna Linzmeyer (Jana), Luiz Bertazzo (Torres) u. a.


