Flow
Im Kino: Die große Flut gewaltig in Szene gesetzt und ein Bootsabenteuer für eine bunt gemischte Tierschar. Mehrfach prämiertes Animationswunder.
Die Katze wundert sich. Wo ist denn nur das Frauchen geblieben? Und überhaupt sind alle Menschen verschwunden. Stattdessen steigt aus unerklärlichen Gründen um ihr Zuhause herum das Wasser immer höher und irgendwann ist auch ihr Schlafplatz auf dem Bett ihres Menschen überschwemmt. Also flieht sie, denn die Überflutung ist nun überall. Es ist der Beginn einer langen Reise, zu der sich die Katze in allerletzter Sekunde in ein altes Segelboot retten kann. Aber darin erwartet sie bereits ein Flussschwein und die zwei werden nicht die einzigen bleiben auf dem kleinen Schiff.
Die Tiere die hier zusammen finden könnten unterschiedlicher nicht sein. Es retten sich noch ein Lemur Äffchen, ein Sekretär Vogel, ein Labrador und später noch ein Rudel Hunde auf den Kahn. Die Charaktere von Hunden und Katzen sind uns allzu sehr bekannt, wir können deren typischen Verhaltensweisen und Lautäußerungen sofort deuten. Es dauert, bis Hund und Katze einander verstehen, obwohl der Hund sich wirklich alle Mühe gibt, der Katze zu gefallen. Alle Tiere werden mit echten Tierstimmen „gesprochen“, das ist sehr faszinierend und man kann gut auf menschliche Dialoge oder Kommentare aus dem Off verzichten. An den tierischen Lauten verstehen wir, wie es den einzelnen Figuren geht und was sie gerade von den anderen im Tierteam erwarten. Es ist ganz großes Kino ohne Worte. Wie auf der Arche Noah treibt eine Gemeinschaft aus unterschiedlichen Kreaturen durch eine überflutete Landschaft, von einem Abenteuer zum nächsten. Manchmal können sie an Land gehen, wenn dies noch nicht überschwemmt ist.
Es ist eine Geschichte über Zusammenhalt in großer Not, denn jedes Tier trägt etwas zum Gelingen der Reise bei und lernt für sich Neues dazu. Der große Vogel lenkt das Boot, das Wasserschwein pflückt im vorbei segeln Bananen, die Katze lernt Fische fangen. Man kann den Film aber auch als apokalyptisches Drama lesen, denn die Flut zerstört alle Lebensgrundlagen der Tiere, die Menschen existieren nicht mehr. Von ihnen zeugen nur noch Hinterlassenschaften wie Skulpturen aller Art, oder eine Stadt, die nicht von ungefähr an Venedig erinnert. Schon in seinem ersten abendfüllenden Animationsfilm „Away – vom Finden des Glücks“ (2019) hat sich Regisseur Gints Zilbalodis mit einer übergeordneten Macht auseinander gesetzt, die nie klar benannt wird, aber den Helden auf seinem Motorrad über eine einsame Insel hetzt. Auch die Flut wird nicht erklärt, Fauna und Flora müssen mit ihr zurechtkommen. Sie ist die Urgewalt, die auch neues Leben heranspült in Form von bunten Fischen und einem riesigen Wal, der das kleine Schiff immer wieder einmal kreuzt.
Über fünf Jahre hat das Filmteam an dem Film gearbeitet und neben unzähligen wichtigen Filmpreisen nun auch den Oscar für den besten Animationsfilm gewonnen. Es ist eine traumhafte Stimmung entstanden, die neben aller Ernsthaftigkeit auch sehr stimmige Situationskomik ins Bild setzt, weil die Tiere eben nicht aus ihrer Haut heraus können. Die Katze will mit dem schwingenden Schwanz des Affen spielen, oder springt ganz kätzisch einer Lichtreflexion hinterher. Der Hund jagt allen runden Gegenständen nach, als wären es Bälle. Die Bilder sehen aus, als seien sie mit Ölfarben gemalt, sie sind aber CGI animiert und mit einem Sound unterlegt, der die surreale Atmosphäre noch verstärkt, aus der wir am Ende plötzlich geweckt werden. Schade - man hätte den Film gerne noch weiter geträumt.
Katrin Hoffmann
Flow - Lettland, Frankreich, Belgien 2024, Regie: Gints Zilbalodis, Kinostart: 06.03.2025, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 10 Jahren, Laufzeit: 84 Min., Buch: Gints Zilbalodis, Matīss Kaža, Musik: Gints Zilbalodis, Rihards Zaļupe, Ton: Gurwal Coïc-Gallas, Produktion: Matīss Kaža, Gints Zilbalodis, Ron Dyens, Gregory Zalcman/Dream Well Studio (Lettland), Sacrebleu Productions (Frankreich), Take Five (Belgien), Verleih: MFA+ FilmDistribution




