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Veras Verlangen

Auf Amazon Prime: Eine 17-Jährige entdeckt ihr sexuelles Begehren und erfährt dabei, dass das Sexleben ihrer Eltern komplizierter ist als gedacht.

Vera hört und schaut, lauscht und beobachtet. In ihrer allerersten Einstellung, während in der Titelsequenz der Name des Films und die beteiligten Personen in klischeehaftem Rosa eingeblendet werden, steht sie auf einem belebten Weg, Kopfhörer auf den Ohren, den Kopf versunken zum Telefon gesenkt. Sie scrollt durch das Profil einer jungen Frau in ihrem Alter, blickt sich schließlich irgendwann um – und entdeckt ebendiese Frau mit ihrem Freund auf der anderen Straßenseite, folgt den beiden. Eine Stalkerin? Nein, sie schaut sich nur ihre Kundschaft ein wenig an, bevor sie sie in die Wohnung lässt.

Vera vermietet eine leerstehende kleine Wohnung stundenweise an andere Jugendliche – gerade einmal 500 argentinische Pesos kostet das, der stets frisch gereinigte Schlafsack auf blankem Fußboden ist inklusive. Mehr Schmuck oder Kuscheligkeit gibt es nicht, aber für ungestörten Sex reicht es, besonders, wenn die Alternative die mit Plastik überzogene Couch im Gartenhaus der Großmutter ist.

Der Originaltitel „Vera y el placer de los otros“, auf Deutsch etwa: „Vera und der Genuss der anderen“, beschreibt dieses Arrangement zu Beginn des Films recht gut – denn Vera nutzt die Wohnung nicht selbst, sie hat sich den Schlüssel von ihrer Mutter stibitzt, einer Maklerin, die das heruntergekommene Ding sowieso nicht vermietet bekommt.

Neugierig ist Vera aber schon auf das, was in der Wohnung vor sich geht. Und so steht sie erst einmal und dann immer öfter, erst leise kichernd und dann andächtig lauschend dicht vor der Wohnungstür. Die Regisseur*innen (und Autor*innen) Romina Tamburello und Federico Actis beobachten diese Neugier genau: Die Kamera ruht immer wieder auf dem Gesicht ihrer Hauptdarstellerin Luciana Grasso, beobachtet die Beobachtende, wechselt mal in ihre Perspektive, zeigt mal die Bilder in ihrem Kopf.

Wie nebenbei geht es dabei unterschwellig auch immer um den Freiraum der Jugendlichen – sie haben Zeit zwischen Schule, Sport und Abendessen, sind schon selbständig und trotzdem abhängig, im dauernden Austausch mit ihren Altersgenoss*innen, aber selbstverständlich auch mit ihren Eltern. Irgendwann im Dazwischen suchen sie dann nach einem privaten Ort nur für sich, um ungestört zu zweit zu sein. Vera bietet das an, und ihr Angebot – anonym online erstellt, mit Pfirsch- und Auberginen-Emoji versehen – spricht sich herum.

So verhandelt „Veras Verlangen“ nicht nur die emotionale, vor allem sexuelle Selbstfindung seiner jungen Protagonist*innen, sondern – insbesondere mit Fokus auf Vera – auch deren Verhältnis zu ihren Eltern und die Auseinandersetzung mit deren Lebens- und Liebesentscheidungen. Vera wird damit gegen ihren Willen konfrontiert: Als Roberto und ihre Mutter überraschend die Wohnung aufsuchen, versteckt sich Vera in einem Wandschrank und beobachtet von dort aus großer Nähe, wie die beiden (offenbar nicht zum ersten Mal) Sex miteinander haben.

Es spricht für das gelassene Verhältnis zu Sexualität insgesamt, das Tamburello und Actis in ihrem Film zum Ausdruck bringen, dass diese Szene emotional wesentlich aufregender und aufwühlender ist als die sonstigen Sex- und Liebesszenen. Nicht nur, weil Vera hier gegen ihren Willen (und sichtbar angewidert) zur Beobachterin wird, sondern auch, weil die emotionale Fallhöhe viel dramatischer ist, da sie diese Erfahrung viel mehr aus der Bahn wirft als ihre eigene emotionale und sexuelle Suche.

Veras Zorn auf ihre Mutter (und deren Wut, als das alles schließlich auffliegt) bestimmen den weiteren Verlauf des Films. Aber „Veras Verlangen“ ist eben kein Problemdrama um die Folgen einer zerrütteten Ehe. Stattdessen erlaubt die Handlung der Protagonistin, ihre Wut und ihre Enttäuschung mitzunehmen, während sie auf der Suche nach ihren eigenen Maßstäben dafür ist, mit welchem Begehren und Verhalten sie sich wohlfühlt. Zugleich wird sie auch der Notwendigkeit nicht entkommen, darüber mit ihrer Mutter zu sprechen, zu streiten, verschiedener Meinung zu sein.

In Nadia und Martin, einem der jungen Paare, denen sie die Wohnung vermietet hat, findet sie in ihrer Verzweiflung erst neuen Halt und dann auch mehr. Den Regisseur*innen gelingt es, die sexuelle Findung in dieser Dreierkonstellation mit großer Gelassenheit und selbstverständlicher Zärtlichkeit zu inszenieren – auch eine Debatte um „Consent“ wird nicht geführt, die Zustimmung wird ohne großes Gewese erfragt.

Die eher nach Softporno klingende Beschreibung des deutschen Verleihs trifft also definitiv nicht den Kern dieses stellenweise durchaus erotischen, vor allem aber emotional sehr reifen Coming-of-Age-Dramas.

Rochus Wolff

© Capelight Pictures
16+
Spielfilm

Vera y el placer de los otros - Argentinien 2023, Regie: Romina Tamburello, Federico Actis, Homevideostart: 27.02.2025, FSK: ab 16, Empfehlung: ab 16 Jahren, Laufzeit: 103 Min., Buch: Romina Tamburello, Federico Actis, Kamera: Lucas Pérez, Musik: Pablo Crespo, Ton: Santiago Zecca, Schnitt: Danalí Riquelme, Produktion: Name / PEZ CINE, Verleih: Capelight Pictures, Besetzung: Luciana Grasso (Vera), Estefanía Nicoló (Nadia), David Zoela (Martin), Inés Estévez (Adriana/Mutter), Mariano Raimondi (Luis/Vater), Carlos Resta (Roberto) u. a.

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