Kritiken > Filmkritik
Kritiken > Altersempfehlung 14-18 Jahre > Könige des Sommers

Könige des Sommers

Im Kino: Der Vater tot, das Erwachsenwerden schwierig. Doch Freunde, eine junge Milchbäuerin und das Verständnis für's Käsemachen helfen dabei!

Immer wieder blickt die Kamera auf die Landschaft, die Weiten des Jura, im Osten Frankreichs an der Grenze zur Schweiz. Hier – weit weg vom Geschehen in Paris und den pulsierenden Großstädten – leben die Menschen vor allem auf dem Land, in kleinen Dörfern und alten Bauernhäusern, sie betreiben Landwirtschaft, kümmern sich um die traditionsreichen Familienhöfe und stellen den berühmten Käse her, den Comté, für den die Region Franche-Comté bekannt ist. In diesem Umfeld spielt „Könige des Sommers“ und präsentiert ein authentisches Portrait vom Aufwachsen und Leben fernab der großen Städte.

Im Mittelpunkt des Films steht der junge Anthony, der von allen Totone gerufen wird. Er lebt zusammen mit seinem Vater und der kleinen Schwester auf einem heruntergewirtschafteten Hof, wo sie noch von Hand den prominenten Käse herstellen. Eine Mutter kommt nicht vor, und der Status quo liefert fröhliche und gleichzeitig trostlose Bilder: Der 18-Jährige hängt, wenn er nicht dem Vater zur Hand geht, mit seinen beiden besten Freunden ab, trinkt viel und täglich, betrinkt sich regelmäßig. Die Schule ist Vergangenheit, und auch Schwester Claire mag er nicht dorthin bringen, um nicht zu spät zum Treffpunkt mit den Freunden zu kommen. Aber, das wird schnell deutlich, er hat es nicht anders gelernt. Auch sein Vater bewegt sich vor allem zwischen der Käserei und dem Tresen, trinkt zu viel – und fährt nach einer Nacht des Feierns in seinem Auto gegen einen Baum.

Der Film führt in wenigen Schlüsselszenen in den Alltag von Totone ein, konzentriert sich dann aber auf den Moment, in dem er und die 7-jährige Claire auf sich allein gestellt sind. In vielen fast dokumentarischen Bildern und mit viel Zärtlichkeit fängt er ihre Realität ein: Wie sie die Geräte der Käserei und den Traktor verkaufen, Totone beim industriellen Konkurrenten als Aushilfskraft anheuert, wie er sich zwischendurch um seine Schwester kümmert, sie zudeckt oder sie im Milchwagen neben sich auf den Beifahrersitz legt. Er kümmert sich, und doch schafft er es nicht, aus seinen alten Gewohnheiten auszubrechen, um die Verantwortung für die kleiner gewordene Familie zu tragen.

Die Kamera von Elio Balézeaux ist oft nah dran an seinen Figuren, zeigt sie in Großaufnahmen, macht Gefühle und Unsicherheiten in ihren Blicken deutlich, wechselt auch mal ungelenk von einem zur anderen. An manchen Stellen wirkt es, als befinde sich ein Kumpel von Totone mit einer Kamera mit im Auto, im Zimmer oder Stall, der einen Amateurfilm dreht und dokumentiert, was geschieht. Die Kameraarbeit trägt einen Großteil zur authentischen Wirkung der erzählten Geschichte bei, ebenso wie das natürliche Spiel der Laiendarsteller*innen, die teilweise selbst in der Landwirtschaft arbeiten, allen voran Clément Faveau als Totone, aber auch Maïwène Barthélémy als Milchbäuerin Marie-Lise. Es ist diese Authentizität, die in „Könige des Sommers“ so beeindruckt und für die Regisseurin Louise Courvoisier bei den Filmfestspielen von Cannes 2024 mit dem Prix de la Jeunesse in der Reihe Un Certain Regard ausgezeichnet wurde.

Marie-Lise ist die Tochter eines Comté-Großherstellers. Dieser wird nicht nur durch den Lauf der Handlung, sondern auch auf der Ebene der Mise-en-Scene als Totones Konkurrenz und gleichzeitiges Wunschziel aufgebaut. Dort wird der Käse in übergroßen Kesseln gerührt, die Lagerhalle ist riesig, die Herstellung automatisiert. Tochter Marie-Lise hat mit der Käserei wenig zu tun, ihr ist die Milchwirtschaft übertragen, sie fährt ein riesiges modernes Landwirtschaftsgefährt. Allerdings wohnt sie in einem alten Bauerngebäude, das dem Zuhause in Einrichtung und Ausstattung von Totone sehr ähnlich ist. Vielleicht auch deshalb finden diese beiden Figuren zueinander.

Totone, der eigentlich mit der hübschen Freundin von Marie-Lise' Bruder liebäugelte, weshalb dieser gar nicht gut auf ihn zu sprechen ist, begegnet der burschikosen Landwirtin eher zufällig und ist sofort von dem Mädchen fasziniert. Ihr Annähern ist zunächst eher nüchtern: Sie stehen sich gegenüber, haben beide nichts zu tun und schlafen miteinander. Sie finden Gefallen daran und begegnen sich auf eine zarte, intime Weise.

Auch Marie-Lise hat ein hartes, aber geregeltes Leben: Sie steht morgens um 5 Uhr auf, um sich um das Vieh zu kümmern, und fällt spätabends ins Bett. Wochenende oder Urlaub kennt sie nicht, und sie kann nicht verstehen, dass Totone beim Feiern sein eigentliches Leben vergisst.

Nach dem Tod seines Vaters muss nun Totone lernen, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Das Geld verschwindet schneller, als er zusehen kann. Aus seinem Job in der Großkäserei wird er schnell gefeuert, so dass er sich nach neuen Einnahmequellen umschauen muss. Ein guter Käse gewinne bei einem Wettbewerb 30.000 Euro, bekommt er durch Zufall mit: „Vingt dieux!“, ruft er aus, „Zwanzig Götter!“, ein Kraftausdruck der Region (auch der französische Originaltitel), der ebenso für Authentizität sorgt wie der Dialekt, den die Figuren in der französischen Fassung sprechen.

Somit fasst Totone den Entschluss, den besten Käse der Region zu machen. Seine Freunde, Jean-Yves und Francis, unterstützen ihn, verkaufen einen Wagen, mit dem sie eigentlich beim großen Rennen der Region antreten wollen, damit sich Totone den Familientraktor zurückerstehen kann. Klauen mit ihm Milch und helfen, das Feuer unterm Kessel zu halten, die Milch in der richtigen Temperatur zu rühren. Auch hier gerät der Film erneut ins Dokumentarische und zeigt, wie man das macht: Einen Käse wie einst herstellen.

Aber nicht nur der komplexe Reifeprozess des Comtés braucht seine Zeit. Jene braucht auch das Publikum, um sich an „Könige des Sommers“ und seine Figuren, aber auch die Machart zu gewöhnen. Ist dies einmal geschafft, fällt es allerdings schwer, damit aufzuhören, Totone auf seinem Weg zu begleiten und zuzusehen, wie er reift und ein Stückchen erwachsener wird.

Verena Schmöller

© Pandora Film
14+
Spielfilm

Vingt Dieux - Frankreich 2024, Regie: Louise Courvoisier, Kinostart: 06.02.2025, FSK: ab 12, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 92 Min., Buch: Louise Courvoisier, Théo Abadie, Marcia Romano, Kamera: Elio Balézeaux, Musik: Charlie Courvoisier, Linda Courvoisier, Schnitt: Sarah Grosset, Produktion: Muriel Meynard, Verleih: Pandora Film, Besetzung: Clément Faveau (Totone), Maïwène Barthelemy (Marie-Lise), Luna Garret (Claire), Mathis Bernard (Jean-Yves), Dimitry Baudry (Francis) u. a.

Könige des Sommers - Könige des Sommers - Könige des Sommers - Könige des Sommers - Könige des Sommers - Könige des Sommers - Könige des Sommers - Könige des Sommers - Könige des Sommers -

Altersempfehlung 14-18 Jahre

» Wenn das Licht zerbricht

» Toxic

» Julie bleibt still

» Mit der Faust in die Welt schlagen

» Simon of the Mountain

» Baby

» I Like Movies

» September & July

» Heartless

» Veras Verlangen

» Bird

» Christy

» Könige des Sommers

» Gotteskinder

» In my skin (Staffel 1)

» Eine Erklärung für Alles

» Unsichtbar

» Wilder Diamant

» Über uns von uns

» Hungry

» Spirit in the Blood

» Blitz

» Mein ewiger Sommer

» Tandem – In welcher Sprache träumst du?

» Made in Germany

» Der schöne Sommer

» Samia

» A Good Girl's Guide To Murder

» Ein neues Leben

» Tiger

» Nicht eine mehr

» Gasoline Rainbow

» Dead Boy Detectives

» Boy

» Our Eternal Summer

» Berlin Bytch Love

» Mein Sommer mit Irène

» Ellbogen

» Norwegian Dream

» Maboroshi

» Animalia

» How To Have Sex

» Die Sirene

» Reservation Dogs – Season 3

» Dead Girls Dancing

» Elaha

» Bottoms

» Forever

» Tori & Lokita

» Sorcery

» Nackt über Berlin

» Sex Education – Staffel 4

» L‘amour du monde – Sehnsucht nach der Welt

» Water Lilies

» Boyz

» Fanfic

» Suzume

» The Ordinaries

» Sara Mardini – Gegen den Strom

» Sonne und Beton

» We Will Not Fade Away

» Girls Girls Girls

» Wann wird es endlich wieder so wie es nie war

» Die Fabelmans

» Reservation Dogs – Season 2

» Kalle Kosmonaut

» Goodbye, Don Glees!

» Sonne

» Wednesday

» Die Schwimmerinnen

» Beautiful Beings

» High School

» The Sleeping Beast

» Märzengrund

» Sing a Bit of Harmony

» Stranger Things 4

» North Hollywood

» Belle

» Nico

» 1 Meter 20

» Warum ich euch nicht in die Augen schauen kann

» Kind Hearts

» Soul of a Beast

» Platzspitzbaby – Meine Mutter, ihre Drogen und ich

» Lingui – Heilige Bande

» Reservation Dogs

» Dear Future Children

» Happiness

» Everbody’s Talking About Jamie

» Sex Education – Staffel 3

» Je suis Karl

» Ein nasser Hund

» Räuberhände

» CODA

» Freda

» Lola und das Meer

» Sommer 85

» Frühling in Paris

» Sweet Tooth

» Shadow Game

» Things We Dare Not Do

» Invincible

» Fighter

» Ninjababy

» Une colonie

» We are who we are

» Moxie. Zeit, zurückzuschlagen

» Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (2021)

» Jugend

» Port Authority

» Stichtag

» Sechzehn Stunden Ewigkeit

» Eighth Grade

» Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht

» Wildherz – Auf der Reise zu mir selbst

» Und morgen die ganze Welt

» Lovecut

» Grand Army

» Zombi Child

» Mein etwas anderer Florida Sommer

» Milla Meets Moses

» Niemals Selten Manchmal Immer

» Futur Drei

» Nackte Tiere

» Mulan (2020)

» Yalda

» Normal People

» Gretel & Hänsel

» All die verdammt perfekten Tage

» Sunburned

» Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte

» I’m no longer here

» Home Before Dark

» Monos – Zwischen Himmel und Hölle

» Away – Vom Finden des Glücks

» Sommerkrieg

» Acasă, My Home

» Scheme Birds

» All Day and a Night

» Children Of The Sea

» Giant Little Ones

» I Am Not Okay With This

» Sweet Thing

» Jumbo

» Notre-Dame du Nil

» Little Women

» Crescendo

» Auerhaus

» Ich habe meinen Körper verloren

» Liz und der blaue Vogel

» Nevrland

» Zwischen uns die Mauer

» Harajuku

» Systemsprenger

» Ein leichtes Mädchen

» Paranza: Der Clan der Kinder

» Don’t Give a Fox

» Stranger Things 3

» Drei Schritte zu dir

» Orangentage

» Roads

» The Sun is also a Star

» mid90s

» The Hate U Give

» Stupid Young Heart

» Der verlorene Sohn

» Rekonstruktion Utøya

» Club der roten Bänder – Wie alles begann

» Raus

» Verlorene

» Yuli

» Mary Shelley

» Mellow Mud

» Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot

» Fünf Dinge, die ich nicht verstehe

» Schwimmen

» Blue My Mind

» Girl

» Schmeißt die Schlampe in den Fluss

» Winterfliegen

» Ava

» Der wilde Planet

» I Kill Giants

» Genesis

» Letztendlich sind wir dem Universum egal

» 303

» Love, Simon

» Your Name

» Mustang

» Bande de Filles

» Persepolis

» Fucking Åmål