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Tommi Tatze

Auf ZDF tivi: In der neuesten Donaldson/Scheffler-Bilderbuchadaption gerät ein Kater in eine emotionale Zwickmühle.

Wie schön! Ganz ohne lautes Getöse ist es im Kinder-Weihnachtsprogramm des ZDF eine Tradition geworden, die jeweils aktuelle Verfilmung eines Bilderbuchs von Julia Donaldson und Axel Scheffler auszustrahlen. Die Adaption von „Der Grüffelo“ (Max Lang, Jakob Schuh, 2009) ist längst ein Klassiker, die von „Für Hund und Katz ist auch noch Platz“ (Jan Lachauer, Max Lang, 2012) nicht weniger. Und auch Filme wie „Die Schnecke und der Buckelwal“ (Max Lang, Daniel Snaddon, 2019) hat perfekt den Stil und Tonfall der beliebten Vorlage getroffen. Nun steht „Tommi Tatze“ auf dem Programm. Und es braucht nur wenige Sekunden, um sich wieder in jener Stimmung zu finden, die sämtliche von Magic Light Pictures produzierte Donaldson/Scheffler-Adaptionen auszeichnet: Die Bilder sind klar und liebevoll detailliert, aber nicht überladen oder gar grell, die Bewegungen der Figuren und der Kamera ruhig, die Musik von René Aubry schafft mit wenigen Takten Atmosphäre, hinzu kommt eine wie immer sanft-bedächtige Erzählstimme, die wo möglich direkt die Reime der Vorlage aufgreift und Kinder, die diese kennen und lieben, zum Mitsprechen einlädt.

Kater Tommi steht im Mittelpunkt der Geschichte. Gemeinsam mit dem wohnungslosen Straßenmusiker Fred lebt er in London. Katzenmusik mögen es die einen nennen, wenn Tommi begeistert maunzt und miaut, wenn Tommi auf der Gitarre spielt und dazu singt. Für Tommi und Fred hingegen ist es ein ganz besonderer Ausdruck ihrer Freundschaft. Eines Tages jedoch wird Tommi durch eine Katze mit weißer Pfote bei einer Vorführung abgelenkt und Fred dann auch noch bestohlen. Bei der Verfolgung des Diebs – und das ist die einzige hektische Szene dieses Films – stürzt er jedoch unglücklich und muss ins Krankenhaus. Als Tommi zurück zu dem Ort kommt, an dem Fred zuletzt aufgetreten ist, ist dieser verschwunden – und Tommi plötzlich auf sich allein gestellt. Aber zum Glück nicht lange. Die Familie von Katze Pfote nimmt Tommi auf, der sich dort schnell in einem wunderbaren Leben einfindet. Tommi lebt in einem schönen Haus, kann spielen, von Kuchen naschen, hat mit Pfote eine tolle Freundin an seiner Seite – und bald mit ihr gemeinsam sogar drei Katzenjunge. Aber tief in Tommi drinnen nagt etwas. Er vermisst Fred. Und er weiß, dass er ihn unbedingt suchen will.

Ein Kater zwischen zwei Bezugspersonen und zwei grundverschiedenen Lebenswelten – das ist eine gewaltige Aufgabe. Gehört er zu Pfote und seinen neuen menschlichen Besitzerinnen in ihrem gemütlichen Haus? Oder doch mehr zu Fred, mit dem er so viel Zeit verbracht und so viele gemeinsame Erfahrungen hat und dessen Leben eher einfach ist? Ein bisschen erinnert diese Konstellation an jene aus Pablo Bergers „Robot Dreams“ (2023), der über die enge Freundschaft zwischen einem Hund und einem Roboter erzählte und diese dann mit neuen Freund*innen aufmischte und neu definierte. Auch „Tommi Tatze“ geht hier keinen einfachen Weg, wenngleich eine Entscheidung getroffen werden muss und die Geschichte dann doch noch einen Ausweg findet, der gerade für jüngere Kinder das Ende runder und harmonischer wirken lässt.

Schön ist, was die Geschichte dabei Kindern emotional zutraut und mit welch verzwickter Gefühlslage er sie konfrontiert. Im Grunde erzählt der Film im übertragenen Sinne über eine Entwicklungsaufgabe, die für Kinder zunehmend relevanter wird. „Tommi Tatze“ begleitet den Kater dabei, wie er größer, selbstständiger und unabhängiger wird. Mit Fred fühlt er sich noch immer sehr eng verbunden, aber er braucht ihn am Ende nicht mehr so sehr wie noch zu Beginn. Er löst sich von Fred, um sein eigenes Leben zu leben, aber ohne Fred zu vergessen. Um die Frage, was jemanden glücklich macht, geht es überdies. Und nicht zuletzt um – auch schwierige – Lebenslagen. Geschickt werden all diese Elemente in diesem nur auf den ersten Blick niedlich-süßen Film verwoben.

Wie toll wäre es, wenn mehr Kinderfilme den Mut hätten, über widersprüchliche Gefühle zu erzählen – und zwar nicht nur mit Entweder-Oder-Lösungen, sondern mit Sowohl-Als-auch-Lösungen.

Stefan Stiletto

© ZDF/Magic Light Pictures 2023
5+
Kurzfilm

Tabby McTat - Deutschland, Großbritannien 2023, Regie: Jac Hamman, Sarah Scrimgeour, Homevideostart: 22.12.2024, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 5 Jahren, Laufzeit: 25 Min. Buch: Max Lang, Suzanne Lang, nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Julia Donaldson und Axel Scheffler. Musik: René Aubry. Produktion: Magic Light Pictures.

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