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Fritzi und Sophie – Grenzenlose Freundschaft

In der ARD-Mediathek: Fritzi und Sophie sind zurück! Auf die filmische Wendewundergeschichte folgt eine 8-teilige Serie.

Leipzig, 1989. Zwei Zwölfjährige verabschieden sich vor den Sommerferien voneinander. Sophie fährt mit ihrer Mutter an den Balaton, Fritzi bleibt daheim und muss, nein darf, auf Sputnik aufpassen, Sophies Hund. Die Ferien gehen vorüber, aber am ersten Schultag taucht Sophie nicht in der Schule auf – mit ihrer Mutter ist sie auch gar nicht am Plattensee, sondern campt wie viele DDR-Bürger*innen an der Grenze zu Österreich.

So weit, so bekannt wirkt die Geschichte. Denn Ralf Kukula und Matthias Bruhn haben sie bereits in „Fritzi – Eine Wendewundergeschichte“ (2019) erzählt, orientiert an den Motiven, die sie dem Roman „Fritzi war dabei‟ von Hanna Schott und Gerda Raidt entnehmen konnten. Beate Völcker hatte daraus ein filmtaugliches Drehbuch gemacht, das vor allem Fritzi dabei zeigte, wie sie zunehmend bewusster die politischen Ereignisse des Herbsts wahrnimmt. Zusammen mit einem Freund versucht sie sogar, über die Grenze zu gelangen, damit Sputnik zu Sophie zurückkehren kann, als diese längst bei ihrer Oma im Westen angekommen ist.

Völcker hat berichtet, wie das junge Publikum im Kino auch vom nicht erzählten Teil mehr wissen wollte, also „wie es damals im Westen war und was Sophie erlebt hat“. Diese Lücke soll nun die Serie „Fritzi und Sophie – Grenzenlose Freundschaft“ füllen, für die wieder Völcker das Drehbuch geschrieben hat, Kukula und Bruhn zusammen mit Thomas Meyer-Hermann auf der Regiebank saßen.

Allein Sophies Geschichte zu erzählen, die Perspektive also im Verhältnis zum Film umzukehren, will die Serie dann aber doch nicht, und womöglich hat das auch dramaturgische Gründe. Denn nachdem Sophie am Ende von Folge 4 im Westen angekommen ist – vorher erlebt sie einige Krisen und Abenteuer an der ungarisch-österreichischen Grenze –, sind die Konflikte hier weniger aufregend: Sie hat mit Vorurteilen gegen „Ossis“ zu kämpfen, fühlt sich einsam und vermisst ihren Hund.

In Leipzig hingegen, der Film hat es gezeigt, geht es um mehr: Fritzi und ihre Familie geraten in Konflikt mit der Stasi, die Montagsdemonstrationen wühlen die Stadt auf, und erst nach Festnahmen, Gefängnisszenen und einigen kleinen Fluchtsequenzen bricht die Familie in den Abendstunden des 9. November dann schließlich zur Grenze auf, wo Fritzi, Sophie einander und vor allem Sputnik wieder in die Arme schließen können.

So kommt die Serie nicht umhin, viele Szenen aus dem Film noch einmal zu zeigen – aber das schadet nicht, weil so die Wendemonate noch einmal neu und vollständiger erzählt werden. Die Unsicherheit in Ungarn wird ebenso thematisiert wie die Überwältigung vor allem durch den ersten Kontakt mit der überbordenden Warenwelt im Westen.

Die Wiederholung vieler Szenen des Films macht allerdings im direkten Vergleich sichtbar, dass die 3D-Motion-Capturing-Technik, die für die Serie genutzt wurde, im Vergleich zur eher traditionellen Animationstechnik des Films nicht unbedingt lebensnähere Bilder schafft; die Figuren in der Serie fügen sich weniger organisch-stimmig in die Umgebung ein als in „Fritzi – Eine Wendewundergeschichte“, und ihre Bewegungen wirken zuweilen sehr künstlich. Man kann nur vermuten, dass hier die Kostenfrage eine große Rolle spielte, „Fritzi und Sophie“ hat schon eine Oberfläche, die sich sehr nach Fernsehen und nicht nach Kino anfühlt.

Zugleich gibt dieser Rahmen dem Unterfangen eine erzählerische Gelassenheit, die dem ganzen Projekt guttut. In den acht Folgen à 22 Minuten besteht keine Eile, jede Episode erzählt einen eigenen Schritt in dieser wichtigen Geschichte und stellt seinen pädagogischen Impetus hintenan – wortwörtlich. Die letzte Dialogzeile der zwei Freundinnen lautet: „Weißt du, worauf ich mich jetzt schon freue? – Worauf? – Wenn wir die Geschichte mal unseren Kindern erzählen.“

Aber das ist auch gut und richtig, schließlich braucht es kluge Geschichten, die den Kindern der Gegenwart von dem erzählen, was vor 35 langen Jahren passiert ist – was ihre eigenen Eltern mittlerweile selbst nur noch aus Erzählungen kennen. Und dieses Publikum wird sich weder daran stören noch die vielschichtige Ironie verstehen, wenn in der letzten Folge David Hasselhoffs „I've been looking for freedom“ erklingt.

Rochus Wolff

© MDR
9+
Animation

Deutschland 2024, Regie: Ralf Kukula, Matthias Bruhn, Thomas Meyer-Hermann, Homevideostart: 03.10.2024, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 9 Jahren, Laufzeit: 22 Min. pro Folge, Buch: Beate Völcker, nach dem Roman „Fritzi war dabei‟ von Hanna Schott und Gerda Raidt, Musik: André Dziezuk, Produktion: Ralf Kukula, Richard Lutterbeck, Thomas Meyer-Hermann, Dramaturg: Martin Muser, Verleih: MDR, Sprecher*innen: Kirah Filter (Fritzi), Berenike Fröb (Sophie), Luis Vorbach (Bela), Vincent Göhre (Rocco), Lena Zipp (Kati), Sophie Lutz (Julia), Jonas Fürstenau (Klaus) u. a.

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