A Good Girl's Guide To Murder
In der ZDF-Mediathek: Eben noch die Mitbewohnerin von „Wednesday“, jetzt ermittelt Emma Meyers als Pip in einem nie ganz aufgeklärten Mordfall!
Ob es so klug ist, sich für ein zukunftsentscheidendes Schulprojekt ausgerechnet die Auflösung eines echten Mordfalls vorzunehmen? Vermutlich nicht – aber Pip ist das herzlich egal. Fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass die 17-jährige Andi Bell brutal ermordet wurde. Hauptverdächtiger damals war ihr Freund Sal, der die Tat schließlich gestanden und sich danach selbst umgebracht hat. Doch einiges passt bei diesem Fall nicht zusammen. Es wurde auch nie eine Leiche gefunden, deswegen vermutet Pip ein falsches Geständnis – was statistisch betrachtet tatsächlich sehr häufig vorkommt. Also macht sie sich auf die Suche nach einer Spur und befragt dabei zunächst jene, die Andi und Sal nahestanden.
Das läuft in „A Good Girl's Guide to Murder“ dann allerdings ein bisschen anders ab, als wir es von typischen Ermittler*innen-Serien gewöhnt sind. Schließlich ist Pip selbst noch Schülerin und kennt viele der betroffenen Personen persönlich, zumindest vom Sehen und am Haus von Sals Familie kommt sie quasi täglich beim Gassigehen vorbei. Dadurch sind die Gespräche sehr direkt – bis hin zu Situationen, wo ein ehemaliger Schüler und Freund von Andi und Sal sie dazu herausfordert, im Austausch gegen Informationen Shots zu trinken. Was Pip als konsequente Nicht-Trinkerin dann sogar tatsächlich durchzieht. Warum sie währenddessen ein glitzerndes Sternen-Kostüm trägt? Weil sie für ihre Recherche einen Kellner*innen-Job bei einer Silberhochzeit angenommen hat, um besser an die richtigen Kontaktpersonen zu kommen. Und bei diesem leicht abstrusen, zugleich faszinierenden Bild wird es hier nicht bleiben! Pip besucht schließlich auch die geheime Calamity-Party der älteren Schüler*innen. In einem Höhlengeflecht mitten im Wald macht sie beim sehr auf Sex ausgerichteten Flaschendrehen mit, um erst Anschluss und dann einen Dealer zu finden, mit dem die ermordete Andi bei ihrem eher unerwarteten Nebenbusiness zusammengearbeitet hat. Dabei bringt sie auch sich selbst in Bedrängnis.
Pip mimt hier also nicht die starke Ermittlerin, die jederzeit über den Dingen steht, sondern sie bewegt sich vielmehr mitten im Geschehen. Was ein Vorteil ist – für den Fall ebenso wie für die Serie. Denn so kommt sie an Informationen, die eine außenstehende Person nicht bekommen oder zumindest nicht so gut interpretieren könnte. Und für uns schafft es eine stärkere Nähe zum Geschehen, wenn sie emotional voll mitgeht. Themen wie Rassismus, Drogen, Nacktfotos in einer komplett vernetzten Welt und sexuelle Übergriffe, mit denen sich Pip im Laufe der Ermittlungen konfrontiert sieht, bekommen dadurch eine zusätzliche Tiefe und werden von innen heraus spürbar. Davon ab hat die junge Ermittlerin ein ganz persönliches Interesse an der Aufklärung des Falls, das weit über ihre Schulaufgabe hinausgeht – womit direkt noch eine kleine Auseinandersetzung mit dem Thema „(falsches) Schuldempfinden“ dazukommt. Lediglich Pips naives Hineinstürzen in gefährliche Situationen wirkt mitunter etwas überzogen und will nicht ganz zu ihrem sonst sehr bewussten, analytischen und eher vorsichtigen Umgang mit ihrer Umwelt passen – ist im Trubel des Geschehens und inmitten wilder Wendungen aber absolut verzeihbar.
Schön ist vor allem, wie in „A Good Girl's Guide to Murder“ altbekannte Krimi-Muster an Pips Lebensumstände angepasst werden: Zum Beispiel, wenn sie nicht ihr Boss vom Fall abzieht, um eine neue Hürde innerhalb der Dramaturgie zu schaffen, sondern ihre Eltern! Die bestehen nämlich auf einem Themawechsel für die Schularbeit, weil die ganze Geschichte allmählich zur Bedrohung für Pips Abschluss und die Bewerbung an der Uni wird. Das kommt hier also noch dazu: die Schwierigkeit, die Passion für den Fall mit alltäglichen Verpflichtungen und Freundschaften unter einen Hut zu bringen. Wobei die Mischung aus Sorge und Verständnis der Eltern sowie deren Art und Weise hier mal nicht nur nerven, sondern zwischenzeitlich auch ein bisschen Feeld-Good-Vibe mit reinbringen – beispielsweise mit der großartigen Idee eines „Fahr-vorsichtig-Songs“.
„A Good Girl's Guide to Murder“ ist übrigens eine Buch-Verfilmung vom ersten Teil der gleichnamigen Trilogie von Holly Jackson. Es besteht also Hoffnung, dass auch die Serie fortgesetzt wird.
Marius Hanke
Großbritannien 2024, Serien-Idee: Poppy Cogan, Homevideostart: 01.08.2024, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 40 bis 48 Min. pro Folge, nach dem Buch von Holly Jackson, Produktion: Matthew Read, Matthew Bouch, Frith Tiplady, Holly Jackson, Poppy Cogan, Dolly Wells, Florence Walker, Verleih: ZDFneo, Besetzung: Emma Meyers (Pip). Zain Iqbal (Ravi), Asha Banks (Cara), Yasmin Al-Khudhairi (Naomi), Yasmin Al-Khudhairi (Zach), Anna Maxwell Martin (Pips Mum), Gary Beadle (Pips Dad), Henry Ashton (Max Hastings), Carla Woodcock (Becca Bell) u. a.





