Der schöne Sommer
Im Kino: Ihr steht eine aufregende Zeit bevor! Denn die 17-jährige Ginia ist gerade vom Land in die Stadt gezogen und auf der Suche nach sich selbst.
Turin, 1938: Die junge Schneiderin Ginia zieht zu ihrem Bruder Severino in die Stadt, um ihn bei seinem Jurastudium zu unterstützen. Dort nimmt sie eine Stelle im Modeatelier von Signora Gemma an. Talentiert und kreativ wie sie ist, bekommt sie von ihrer Chefin schnell anspruchsvolle Aufgaben übertragen. So darf sie als „Neue“ sogar das Hochzeitskleid für eine reiche Kun
din nähen. Eine große Verantwortung! Doch Ginias Gedanken drehen sich schon bald um andere Sachen.Bei einem ausgelassenen Picknick am See beobachtet Ginia, wie eine junge Frau in Unterwäsche aus einem Ruderboot springt und auf sie und ihre Freund*innen zuschwimmt. Sie ist fasziniert von der freizügigen Art dieser Frau, die Amelia heißt und für verschiedene Künstler Modell steht. Während Ginia, das Mädchen vom Lande, eher schüchtern und zurückhaltend ist und eingeimpft bekommen hat, auf ihren Ruf zu achten, plaudert Amelia ungezwungen mit den Männern, ist äußerst mondän gekleidet, raucht und trinkt Wein. Dass sie als „leichtes Mädchen“ gilt, lässt Ginia zunächst auf Distanz gehen. Doch als dann Amelia eines Tages vor dem Modeatelier auf sie wartet, freunden sich die beiden an. Zusammen mit Amelia taucht Ginia in die Turiner Künstlerszene ein – und vernachlässigt mehr und mehr ihre Arbeit, bis sie sogar entlassen wird.
Sie kann einfach nicht anders! Ginia fühlt ein unbestimmtes Begehren, dem sie nachgehen muss. „Ich möchte, dass mich jemand ansieht und mir zeigt, wer ich bin“, gesteht sie ihrer Freundin. Und so beginnt für Ginia ein aufregender Sommer voller Gefühlsschwankungen, in dem sie ihre ersten Liebeserfahrungen mit dem Künstler Guido wie auch mit Amelia macht, große Enttäuschungen erlebt und am Ende vielleicht ein Stück weit zu sich selbst gefunden hat.
Filmemacherin Laura Luchetti bezieht sich in ihrem neuen Film auf Cesare Paveses gleichnamigen Klassiker von 1940, der im faschistischen Italien unter Mussolini spielt. Dabei entwickelt sie, die auch das Drehbuch geschrieben hat, eine doch recht moderne Erzählung. So sind zwar die Ausstattung, die Kostüme und das Setting in dieser Epoche angesiedelt, aber die Beziehung und Konflikte der beiden Frauen könnten sich ähnlich auch heute zugetragen haben. Historische Bezüge werden nur angedeutet. Da dringt mal kurz eine Übertragung von der Rede Mussolinis ins Zimmer, woraufhin sofort das Fenster geschlossen wird. Oder es kommen drei Uniformierte ins Café und zwingen die Gäste, für sie den Tisch freizumachen.
In gewisser Weise ist dies ein Verlust, schließlich waren gleichgeschlechtliche Beziehungen in dieser Zeit massiven Repressalien ausgesetzt. Laura Luchetti aber interessiert sich weniger für eine Unterdrückungsgeschichte, sondern konzentriert sich voll und ganz auf den Coming-of-Age-Prozess ihrer Hauptfigur, der wunderschöne wie erschütternde Erfahrungen beinhaltet. So lebt der Film vor allen Dingen von der romantischen und doch auch komplizierten Liebesgeschichte zwischen der gutherzigen und in manchen Dingen naiven Ginia und der selbstbewussten, eigenwilligen Amelia. Dafür findet Laura Luchetti wunderschöne sinnliche Bilder, während Yile Yara Vianello und Deva Cassel als Ginia und Amelia alle Register ziehen, die diese höchst emotionale Geschichte bereithält.
Am Ende des nicht nur schönen Sommers sehen wir eine verschneite, menschenleere Straße in Turin, in deren Mitte Ginia aufrecht und entschlossen entlang schreitet. Wohin bleibt offen – einem unbekannten Ziel entgegen, ihrer Zukunft?
Barbara Felsmann
La bella estate - Italien 2023, Regie: Laura Luchetti, Kinostart: 19.09.2024, FSK: ab 16, Empfehlung: ab 16 Jahren, Laufzeit: 111 Min., Buch: Laura Luchetti nach dem gleichnamigen Roman von Cesare Pavese, Kamera: Diego Romero Suarez Llanos, Musik: Francesco Cerasi, Schnitt: Simona Pagi, Produktion: Kino Produzioni, 9.99 Films, Rai Cinema, Verleih: CINEMIEN Filmverleih, Besetzung: Yile Yara Vianello (Ginia), Deva Cassel (Amelia), Alessandro Piavani (Guido), Nicolas Moupas (Severino), Anna Bellato (Signora Gemma) u. a.
Altersempfehlung 14-18 Jahre
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