Schulen dieser Welt
Sie lieben ihren Beruf: Kindern Chancen zu geben, sie fit zu machen für die Welt. Dafür kämpfen drei Lehrerinnen jeden Tag.
Schüler*innen haben – natürlich – vor allem sich selbst im Blick: endlos erscheinende Mathe-Stunden, das Thema, über das sie einen Aufsatz schreiben sollen, oder die Vokabeln, die sie vergessen haben zu lernen. Vielleicht aber auch die Freude, mit der sie sich auf den Weg in die Schule machen, die Neugier, die Lust auf Neues und die Zeit mit den Freund*innen. Der Dokumentarfilm „Schulen dieser Welt“ nimmt all das mit auf, zeigt aber auch, dass Schule in vielen Teilen der Erde ein Privileg ist. Besonders dann, wenn die Kinder auf dem Land, abseits der großen Städte leben, wo es keine oder nur wenig Infrastruktur und auch keine Schulen gibt. Im Mittelpunkt des Films von Émilie Thérond stehen drei Lehrerinnen in Burkina Faso, Sibirien und Bangladesh, die sich jeden Tag aufs Neue dafür einsetzen, dass Kinder an den entlegensten Orten Schule erleben und lernen dürfen – oft gegen viele Widerstände und weit weg von der eigenen Familie.
Auch wenn die Perspektive der Lehrkräfte und nicht die der Lernenden im Vordergrund steht, ist „Schulen dieser Welt“ auch für Kinder ab zehn Jahren spannend: Sie erfahren und beobachten, wie vielfältig das Prinzip Schule ist, wie Schule auch anders funktionieren kann als in ihrem eigenen Alltag: Dass viele Kinder jeden Tag mit ihren Eltern darüber diskutieren, um die Abschlussprüfung der Grundschule machen zu dürfen; dass sie ihre Lehrerin nicht verstehen, weil diese und ihre Mitschüler*innen eine andere Sprache sprechen; oder dass ihre Lehrerin nur alle paar Wochen einmal auftaucht, weil sie mit ihrer Schule übers Land fährt.
Ein Jahr lang hat die französische Filmemacherin die drei Lehrerinnen begleitet. Sie folgt ihnen mit der Kamera auf ein Schulboot im südlichen Asien, in die absolute Abgeschiedenheit des afrikanischen Buschs und in die Siedlungen von ewenkischen Nomaden. Sie beobachtet sie in ihrem Alltag, während des Unterrichts wie in ihrer Freizeit, lässt sie erzählen und ihre Sicht auf die Welt erklären.
Taslima Akter in Bangladesh diskutiert oft und lange mit den Eltern ihrer Schülerinnen, denn im Land werden die Mädchen gerne jung verheiratet und im Haus gehalten. Aber Taslima ist die Ausbildung und die Selbstbestimmung der Mädchen wichtig. Sie selbst ist eine der wenigen Frauen, die sich selbst ernähren können. Darauf ist sie stolz, und diese Erfahrung möchte sie an ihre Schülerinnen weitergeben. Dabei macht „Schulen dieser Welt“ ersichtlich: Auch das ist für Taslima Schule – nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern Erfahrungen teilen, Wahlmöglichkeiten möglich machen, Selbstbewusstsein schaffen.
Gerade an Taslima wird deutlich: Die drei portraitierten Frauen kämpfen mit einer unglaublichen Kraft für ihre Schüler*innen. Das ist nicht immer leicht, und an manchen Stellen im Film ist zu spüren, wie ihre Hoffnung schwindet, wie sie sich hinterfragen und sich dann doch erneut aufraffen: Um für den Verbleib der Kinder im Unterricht zu streiten, ihnen ein Buch mit an die Hand zu geben oder ein Gedicht beizubringen.
Auch Sandrine Zongo in Burkina Faso ist es wichtig, ihren Schüler*innen zu zeigen, dass sie durch die schulische Bildung viel mehr Möglichkeiten haben als ohne. Sandrine hat selbst gerade erst ihr Studium abgeschlossen und muss wie viele junge Lehrer*innen für ihre erste Stelle sechs Jahre in den Busch – fern von den eigenen Kindern, in einer Region mit schlechtem Handynetz, kaputtem Brunnen und ohne Strom. Dass sie darunter leidet, darüber spricht sie ebenso, wie über ihre Motivation, diesen Kindern abseits der Bildungs- und Wirtschaftszentren das Lesen und Schreiben beizubringen.
Alle drei Frauen berichten in Originaltönen und in ihrer jeweiligen aus ihrem Alltag, was untertitelt wird und nicht synchronisiert ist und somit eine große Authentizität behält. Im begleitenden Kommentar (eingesprochen von Dennenesch Zoudé) werden Erklärungen über die jeweiligen Länder, aber auch Zusatzinformationen über die Protagonistinnen vermittelt, die die Gemeinsamkeiten der Frauen aufzeigen: Wie alle drei die Schwierigkeiten, vor die sie gestellt sind, überwinden wollen für eine gerechte Bildung – oder auch für die Erhaltung einer uralten Nomadenkultur.
Svetlana Vassileva in Sibirien fährt mit einem Schlitten von einer Nomadenfamilie zur nächsten und unterrichtet die Kinder zehn Tage lang nicht nur im Schreiben und Rechnen, sondern auch in der Sprache der Ewenken und deren Dichtung, bevor sie mit ihrem fahrenden Klassenzimmer weiterzieht. Ihr ist es wichtig, dass die Kinder in ihrer gewohnten Umgebung lernen können, nicht aufs Internat müssen wie sie selbst damals und gleichzeitig etwas über ihre eigene Kultur erfahren, die an manchen Orten schon längst in Vergessenheit geraten ist. Die Kinder sind nicht immer leicht zu motivieren, fremde Wörter auswendig zu lernen, aber Svetlana hat stets neue Ideen, um ihnen zumindest ein wenig mitzugeben.
Der Blickwinkel der Lehrerinnen ist das große Verdienst von „Schulen der Welt“. Es ist ihr Blick auf die Welt, ihr Verständnis von Gerechtigkeit, ihre Liebe für ihren Beruf und der Wille, ‚ihren Kindern‘ zu helfen. Damit macht es der Film den jungen wie älteren Zuschauer*innen leicht, sich einzufühlen, zu verstehen und auch zu bewundern. Und vielleicht rückt dann auch der eine oder die andere Schüler*in seinen/ihren Blick auf die Schule in eine etwas andere Richtung.
Verena Schmöller
Être prof - Frankreich, USA 2021, Regie: Émilie Thérond, Kinostart: 27.04.2023, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 10 Jahren, Laufzeit: 82 Min., Buch: Émilie Thérond, Kamera: Simon Watel, Schnitt: Anne Lorrière, Margot Meynier, Maxime Pozzi-Garcia, Musik: Rémi Boubal, Produktion: Barthélémy Fougea, Daisy D. Nichols, Lucile Moura, Verleih: X Verleih, Besetzung: (Protagonistinnen) Taslima Akter, Sandrine Zongo, Svetlana Vassileva u. a.
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