The Contest – In Geheimer Mission
Ein Film über die Kraft einer Freundschaft, die gegen die Regeln der Familien und der Religionen rebelliert.
Von der ländlichen Idylle am Meer in Jütland in die kosmopolitische Hauptstadt Kopenhagen umziehen? Darauf hat der 12-jährige, musikbegeisterte Karl, der bisher mit seiner Mutter bei den Großeltern wohnte, überhaupt keine Lust. Kaum angekommen, plant er auch schon seine Flucht zurück ins geliebte Dorf.
Anders als in Jütland leben in Karls neuem Viertel Nørrebro viele Menschen mit Migrationsbiographien. Das ist für ihn zwar ungewohnt, aber kein Problem: Schließlich sieht er in seinen Mitschüler*innen einfach nur Dän*innen, die dieselbe Sprache sprechen und im selben Land aufgewachsen sind wie er. Wenn ihn nur manche von ihnen nicht mobben würden! Dumme Sprüche über seinen Dialekt muss er sich anhören und darüber, dass er angeblich nicht so „cool“ ist wie die Stadtkinder. Zum Glück ist da die selbstbewusste Sawsan, die Karl hilft, sich gegen die gemeinen Jungs zu behaupten. Sawsan wiederum will an dem nationalen Gesangswettbewerb MGP teilnehmen. Karl findet das super und macht die Beats für ihren Song. Sawsans Vater will jedoch nicht, dass sie im Fernsehen auftritt, und verbietet ihr sogar den Kontakt zu Karl. Doch den zwei Freund*innen gelingt es, ihre Eltern auszutricksen: Sie fahren alleine mit dem Zug nach Jütland, wo Karl sowieso hinwollte. Als Sawsan den 1. Preis beim Wettbewerb gewinnt, ist die Freude bei allen groß, auch bei ihren Familien.
„The Contest – In Geheimer Mission“ von Regisseur Martin Miehe-Renard ist eine liebevoll erzählte Coming-of-Age-Geschichte über Freundschaft, Freiheit, Moral und Mut. Karl und Sawsan müssen für sich selbst ausloten, wie sie ihre Träume realisieren können und welche Werte für sie wirklich wichtig sind. Karl plagen Schuldgefühle, weil sein Plan, von zu Hause abzuhauen, seiner christlichen Erziehung widerspricht. Sawsans konservativer Vater und ihre religiöse Oma hingegen sehen den Umgang mit Jungs und öffentliches Singen für Mädchen als Moralverstoß. Beide Kinder rebellieren auf ihre Weise gegen die Regeln ihrer Familie bzw. ihrer Religion. Die geheime Fahrt zu MGP wird zu einer Art Reifeprüfung, die sie mit Bravour meistern. Wer hätte gedacht, dass Sawsans Oma dabei sogar zu ihrer Komplizin wird?
Mit Ausnahme seiner recht stereotypen Bilder der muslimischen Community in Nørrebro und seiner auffälligen Fixierung auf Hijab tragende Frauen, verweigert der Film sich dem klassischen Clash of Cultures Narrativ. Für Sawsan und Karl spielen weder die Unterschiede in ihrem Gender, noch in ihrer kulturellen Herkunft eine Rolle. Der Film legt auch darüber hinaus keine Unvereinbarkeit der türkisch-muslimischen und der christlich-dänischen Kultur nahe, sondern fokussiert vielmehr transkulturelle Gemeinsamkeiten: z.B. intergenerationale Konflikte, Religiosität, konservative vs. progressive Wertvorstellungen oder die Liebe zur Musik. Wünschenswert wäre eine gründlichere Recherche über die türkische Sprache gewesen, idealerweise auch eine Zusammenarbeit mit türkischsprachigen Autor*innen: Sawsan, ihre Mutter Jamilah und ihr Cousin Mian haben arabische Namen, und Kemal, der Name des Vaters, steht in den Credits und in den Untertiteln fälschlicherweise als Kumail.
Beim musikalischen Happy End können Groß und Klein aber in jedem Falle wieder etwas mitnehmen: Dass die Familien den Kindern ihren Ausbruch verzeihen und sich einfach freuen, wieder mit ihnen vereint zu sein, ist ein Appell des Films für Liebe und Respekt zu Kindern, statt allzu streng mit ihnen zu sein. Den größten Wandel macht überraschenderweise Sawsans Vater durch, der große Angst vor einem sexualisierten Auftritt seiner Tochter hatte und nun sehr stolz auf sie ist. Sawsan legt in einem langen, folkloristischen Kleid eine beeindruckende Performance hin. Ihr Lied „Look at me“ handelt vom wahren Ich, das nur mit dem Herzen gesehen werden kann: „Es schlummert noch so viel mehr unter der Oberfläche / Hinter der Fassade werden sie mich jetzt erkennen.“ Diese empowerten Worte richten sich sowohl an Menschen aus migrantischen Communities wie auch aus der weißen Dominanzgesellschaft.
Canan Turan
Übrigens: „The Contest – In Geheimer Mission“ und andere tolle Filme sind Teil des Themendossiers „Migration“. Werfen Sie doch mal einen Blick rein.
MGP missionen - Dänemark 2013, Regie: Martin Miehe-Renard, Homevideostart: 13.12.2014, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 8 Jahren, Laufzeit: 95 Min., Buch: Martin Miehe- Renard, Gitte Løkkegaard, Kamera: Lars Reinholdt Jensen, Schnitt: David Rue, Musik: Frans Bak, Keld Haaning Ibsen, Produktion: ASA Film, Besetzung: Sylvester Espersen Byder (Karl Højby Hansen), Malika Sia Paul (Sawsan), Laura Christensen (Lærke), Ole Dupont (Vidne), Mian Hussein (Mian, Sawsans Cousine), Lado Hadzic (Sawsans Onkel), Joakim Ingversen (Lehrer Sören), Ali Kazim (Kumail), Lars Knutzon (Karls Großvater), Line Kruse (Eva), Natalí Vallespir Sand (Jamilah)
Altersempfehlung 6-9 Jahre
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