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Forever

Auf Netflix: Ein mitreißender Sportfilm über eine junge Fußballerin, mal authentisch, mal drüber, mal rau, mal still.

Erst sind sie sprachlos, denn da steht wirklich Lollo Wallin, ehemalige Spielerin der Nationalmannschaft, in ihrer Umkleide. Erklärt der Mädchenfußballmannschaft von Linden, dass sie in dieser Saison ihre Trainerin sein werde. Und wichtig: Morgen pünktlich sein! Aber kaum ist Lollo zur Tür raus, bricht der Jubel aus den Mädchen heraus.

Es sind solche Momente unverstellter Emotion, von denen Anders Hazelius’ Kinodebüt „Forever“ lebt, auf die er sich aber nicht allein verlässt. Fußball gibt natürlich einen solchen Gefühlsrahmen leicht her: die Spannung, die Aufregung, die Entscheidungen in letzter Sekunde. Das wiederum zu erden im Drama glaubwürdiger Personen – das ist schon ein kleines Kunststück.

Für Mila, eigentlich Mirlinda, ist Fußball das Größte, womöglich das Einzige. Schulnoten interessieren sie nicht so sehr, aber mit ihrer besten Freundin Kia kickt sie bei Linden, seit sie klein ist, und träumt jetzt von einer Profi-Karriere. Ihrer Mutter, alleinerziehende Migrantin aus dem Kosovo, wären gute Schulnoten wichtiger. „Du wirst nicht der nächste Zlatan!“ Aber genau da sieht sich Mila.

Die gefeierte Ankunft von Lollo allerdings bringt erst einmal ein paar Dämpfer mit sich: Gleich beim ersten Training muss sie als Strafe fürs Zuspätkommen ein paar Runden drehen, später werden da auch mal 40 Runden draus. Dass sie beim ersten richtigen Spiel dann auf die Bank soll, passt ihr gar nicht, schließlich sei sie die beste Spielerin! Zur Strafe für ihre Hybris lässt Lollo sie beim Training dann mal allein gegen alle anderen spielen.

Soweit folgt „Forever“ einem bekannten Sportfilm-Narrativ: Die so begabte wie arrogante und permanent wütende Mila stößt in der Trainerin auf ein hartbeiniges Gegenüber, die beiden arbeiten sich aneinander ab und wachsen – die eine mehr, sie ist ja erst fünfzehn, die andere etwas weniger. Aber Hazelius und das Drehbuch von Jessika Jankert (die auch das Buch für den bemerkenswerten „So Damn Easy Going“ geschrieben hat) machen sich und Mila das Leben nicht so leicht. Mila ignoriert ihre Hausaufgaben, fälscht die Benotungen ihrer Klassenarbeiten und bringt ihre beste Freundin noch dazu, für sie zu lügen, als sie ein Paar Fußballschuhe entwendet.

Währenddessen beginnt Kia sich für einen Jungen zu interessieren; die enge Beziehung zwischen den beiden jungen Frauen bekommt Risse. Anders als zum Beispiel „Kick It Like Beckham“ (Gurinder Chadha, 2002) spielt „Forever“ diese Themen nicht als Culture-Clash-Komödie durch. Selbst der spürbare Unterschied im Wohlstand zwischen Kias und Milas Familien spielt keine größere Rolle, auch wenn Milas Mutter Besa die beruflichen Chancen ihrer Tochter ohne ordentlichen Schulabschluss sehr klar im Blick hat. Unterschiedliche Lebensrealitäten dürfen hier ohne Wertung nebeneinander existieren und füttern die Konflikte der Heranwachsenden viel weniger als ihre Prioritäten und Träume, die gleichwohl, auch das macht der Film subtil klar, natürlich mit ihrer Herkunft zu tun haben.

Forever“ zieht alle Register des Sportfilms: Es gibt eine Trainingsmontage, kurz vor Schluss und dem entscheidenden Spiel steht die Sportlerin allein im großen Stadion und hört im Geiste die Massen ihren Namen rufen. Vor allem aber wirken Spiele und Training dynamisch und authentisch, auch mal rau und dreckig. Das liegt vor allem an den Hauptdarstellerinnen: Hazelius hat mit Flutra Çela und Judith Sigfridsson nicht einfach nur zwei junge Schauspielerinnen gesucht, sondern zwei Fußballspielerinnen gefunden: Beide spielen beim BK Häcken, und das sieht man den Sportszenen an. Zugleich sind beide als Darstellerinnen umwerfend, vor allem Çela trägt den Film fast allein, lässt Milas Überheblichkeit, Selbstzweifel und Verzweiflung in ihrem Gesicht und ihrem Körper spürbar werden.

Am Ende fährt sie mit zum Gothia Cup, dem wichtigen internationalen Jugendfußball-Turnier, obwohl sie eigentlich unter Hausarrest steht. Spielt mit verknackstem Fuß und streitet sich vor dem entscheidenden Spiel mit Kia; beim Finale will ein Profi-Scout zuschauen – da treibt der Film schon alles auf die Spitze. Und verweigert sich dann doch der ganz einfachen Auflösung im Finale zugunsten einer stilleren, ruhigeren Hoffnung. Mila ist, meine Güte, ja erst fünfzehn.

Rochus Wolff

© SF Studios Production AB
14+
Spielfilm

Forever - Schweden 2023, Regie: Anders Hazelius, Homevideostart: 17.11.2023, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 14 Jahren, Laufzeit: 103 Min. Buch: Jessika Jankert. Kamera: Erik Persson. Musik: Elvis Suljevic. Schnitt: Kristin Grundström, Sanna Rapp. Produktion: Stefan H. Lindén, Erik Lundqvist. Anbieter: Netflix. Darsteller*innen: Flutra Çela (Mila), Judith Sigfridsson (Kia), Agnes Lindström Bolmgren (Lollo Wallin), Mattias Nordkvist (Christer), Joel Forslund-Nylén (Leo), Mustapha Aarab (Samir), Eleftheria Gerofoka (Besa) u. a.

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