Die Mitchells gegen die Maschinen
Auf Netflix: Auf einem Roadtrip muss eine Familie wieder zusammenfinden. Und die Menschheit vor Robotern retten.
Der Auszug aus dem Elternhaus ist ein großer Schritt, läutet eine neue Lebensphase ein – und wirkt gerade deshalb auf manche junge Menschen einschüchternd. Genauso gut kann der Moment, in dem man dem alten Dasein „Tschüss“ sagt, aber auch befreiend sein. Endlich muss man sich nicht mehr ständig mit der Familie auseinandersetzen und darf sich selbst verwirklichen. Eben dieses Gefühl erfasst in der Animationskomödie „Die Mitchells gegen die Maschinen“ die jugendliche Protagonistin. Katie Mitchell begegnet uns gleich in den ersten Minuten als Erzählerin und weiht uns in ihre große Filmleidenschaft ein. Schon als Kind übten die bewegten Bilder eine starke Faszination auf sie aus – was in ihrem Umfeld jedoch niemand so recht verstehen wollte. Katie ist eine, das betont sie selbst, Außenseiterin, die im Teenageralter die Chance bekommt, an einer Filmhochschule zu studieren.
Das von Michael Rianda und Jeff Rowe verfasste Drehbuch betont, dass sie den chaotischen familiären Alltag grundsätzlich nervig findet. Die zentrale Konfliktlinie verläuft allerdings zwischen Katie und ihrem Vater Rick, der als Naturfreund mit der modernen Technik wenig anzufangen weiß und den Ambitionen seiner Tochter fast keine Beachtung schenkt. In ihrer anfangs angespannten Beziehung liegt der emotionale Kern des Films. Die beiden müssen lernen, den anderen mit seinen Sehnsüchten und Interessen zu verstehen. Um zu einer neuen Erkenntnis, zu einer Annäherung zu gelangen, schickt „Die Mitchells gegen die Maschinen“ die titelgebende Familie – einem beliebten Erzählansatz folgend – auf einen Roadtrip. Eine Reise, die rasch einen ungeahnten Verlauf nimmt. Denn plötzlich bricht eine Roboterapokalypse über die Menschheit herein. Ausgerechnet Filmfan Katie steckt mit Rick, ihrer Mutter Linda und ihrem kleinen Bruder Aaron auf einmal mittendrin in einem kinoreifen Katastrophenszenario, das die Mitchells unfreiwillig in die Rolle von Leinwandheld*innen zwängt.
Die Kombination aus Coming-of-Age-Geschichte, familiärem Wahnsinn und Untergangsbedrohung ist durchaus fruchtbar. Wer aber schon so manchen Film gesehen hat, wird feststellen: Viele Handlungselemente speisen sich aus anderen Werken. Eine sich gegen den Menschen erhebende Technik kennt man etwa aus dem Science-Fiction-Klassiker „Terminator“ (James Cameron, 1984). Wegen Katies Filmeifer muss es übrigens nicht verwundern, dass in „Die Mitchells gegen die Maschinen“ viele direkte Zitate auftauchen. Das Zukunftskammerspiel „I Am Mother“ (Grant Sputore, 2019) findet ebenso Erwähnung wie der Horrorstreifen „Zombie“ (George A. Romero, 1978), auch bekannt als „Zombies im Kaufhaus“. Gerade die Hommage an die letztgenannte Arbeit führt zu einer amüsanten Sequenz in einer Shopping Mall. Katie und Co müssen sich dort einer Horde außer Kontrolle geratener Haushaltsgeräte erwehren, die über einen smarten Chip zur gemeinschaftlichen Jagd aufgerufen werden. Die umfassende Vernetzung hat offenbar nicht nur Vorteile!
Michael Rianda und Jeff Rowe, die auch für die Regie verantwortlich waren, schütteln allerhand skurrile Ideen aus dem Ärmel und legen ein flottes Tempo hin. Hier und da lassen die spektakulären Actionpassagen allerdings die Entwicklung des Tochter-Vater-Verhältnisses zu sehr aus dem Blick geraten. In der zweiten Hälfte gibt sich „Die Mitchells gegen die Maschinen“ manchmal mit erzählerisch einfachen Lösungen zufrieden und erscheint etwas beliebiger als zuvor.
Überraschende Akzente setzen die Macher*innen mit ihrer optischen Gestaltung. Katies Vorliebe für witzige, bunte, kreativ verzierte Amateurfilmchen und Memes, wie man sie auf YouTube finden kann, schwappt direkt in die Bilder der Animationskomödie rüber. Immer wieder poppen mitten im Geschehen Emojis und andere Symbole auf. Mehr als einmal bekommen wir ulkige Standaufnahmen zu sehen. Und auch ironische, cartoonartige Texteinblendungen („Für diesen Dokumentarfilm wurden keine Tiere verletzt“) gehören zu den verwendeten Stilmitteln. Figurenzeichnung und Form ergeben so eine sinnvolle Einheit.
Christopher Diekhaus
The Mitchells vs. the Machines - USA 2021, Regie: Michael Rianda, Jeff Rowe, Homevideostart: 30.04.2021, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 11 Jahren, Laufzeit: 113 Min. Buch: Michael Rianda, Jeff Rowe. Musik: Mark Mothersbaugh. Schnitt: Greg Levitan. Produktion: Phil Lord, Christopher Miller, Kurt Albrecht. Anbieter: Netflix