Die Schnecke und der Buckelwal
Auf ZDF tivi: Perfekt trifft dieser kurze Animationsfilm den Tonfall und Stil der bekannten Bilderbuchvorlage.
Es juckt die Schnecke im Fuß. Ja, sicher, Schnecken haben keine Füße. Aber in den Reimen der Bilderbücher von Julia Donaldson ist so manches möglich – ein warmherzig-komisches Spiel mit Worten, das stets von dem Illustrator Axel Scheffler durch ebenso klare wie liebenswerte Bilder mit vielen Details ergänzt wird. Nun liegt mit „Die Schnecke und der Buckelwal‟ bereits die siebte Bilderbuchadaption von Donaldson/Scheffler vor, erneut federführend produziert vom britischen Animationsfilmstudio Magic Light Pictures.
Eine kleine Schnecke also ist in diesem Kurzfilm die Heldin. Eine kleine Schnecke mit großen Zielen. Der schwarze Stein am Hafen, auf dem sie mit vielen anderen Schnecken lebt, ist ihr zu klein geworden. Sie will raus in die große weite Welt – ein Wunsch, den die anderen Schnecken so gar nicht nachvollziehen können. Was soll es schon geben da draußen? Warum nicht zu Hause bleiben? Aber die kleine Schnecke lässt sich nicht beirren. Mit einer Schleimspur schreibt sie eine Botschaft auf den Felsen: „Wer zeigt mir die Welt?‟ Als ein Buckelwal vorbeikommt, steigt sie auf seine Schwanzflosse und tritt ihre Reise an.
Es geht durch haushohe Wellen und durch ruhige See, über Wasser und unter Wasser, bis hinab in tiefe Höhlen. Merkwürdige Fische sind dort zu entdecken – und weiter oben manchmal auch gefährliche Haie. Doch der Wal beschützt seine kleine Mitreisende stets, rettet sie vor gefräßigen Raubtieren und fischt sie aus dem Wasser, wenn sie von seiner Flosse gerissen wird.
Technisch haben sich die Bilderbuchadaptionen noch einmal weiterentwickelt. Viel detaillierter und feiner sind die Animationen geworden, das Wasser wirkt geradezu fotorealistisch. Durch die erneut beeindruckende Tonkulisse entsteht ein immersives Abenteuer, dass auch jüngste Zuschauer*innen regelrecht in die Geschichte eintauchen lässt. Dabei verstehen es die Regisseure Max Lang und Daniel Snaddon, die zuvor gemeinsam schon „Zog‟ (2018) inszeniert haben, stetig zwischen ruhigen und aufregenden Szenen zu wechseln, ihr Publikum zu fesseln, ihm aber auch wieder Momente der Entspannung zu bieten. Manch eine Szene erreicht geradezu eine poetische Qualität. Wenn die Sterne des Nachthimmels sich auf der Oberfläche des Ozeans spiegeln und dieses wie einen zweiten Himmel wirken lassen, dann wirkt dies auch wie eine Hommage an ganz ähnliche Bilder aus Ang Lees „Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger‟ (2012).
Zu einer Wendung führt die Geschichte schließlich, als sich das Machtverhältnis zwischen der Schnecke und dem Wal umdreht. Lange Zeit ist der Wal der „Große‟, der auf den „Kleinen‟ aufpasst und ihn beschützt. Doch dann strandet der Wal – und auf einmal liegt es an der kleinen Schnecke, ihrem großen Begleiter zu helfen. So erzählt der Film auch davon, wie aus einer kleinen Heldin eine große Heldin wird. Die Schnecke ist die perfekte Identifikationsfigur für Kinder: neugierig, aufgeschlossen, mutig und klug – und trotzdem nie allein. Gerade dies zeichnet viele Geschichten von Donaldson/Scheffler aus. Und die Filme übertragen dies kongenial und sind mit so viel Liebe zum Detail gestaltet, dass man sie gerne auch auf einer großen Leinwand sehen würde.
Stefan Stiletto
The Snail and the Whale - Großbritannien, Deutschland 2019, Regie: Max Lang, Daniel Snaddon, Homevideostart: 04.04.2021, FSK: ab 0, Empfehlung: ab 4 Jahren, Laufzeit: 25 Min. Buch: Max Lang, Suzanne Lang, nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Julia Donaldson und Axel Scheffler. Musik: René Aubry. Produktion: Magic Light Pictures, ZDF. Sprecher*innen: Eva Mattes (Erzählerin), Hannah Herzsprung (Schnecke), Oliver Korritke (Buckelwal) u. a.
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