Kritiken > Filmkritik
Kritiken > Vorgestellt im August 2020 > Felix

Felix

Mitreißender Musikfilm aus Südafrika: Ein 13-Jähriger aus einem ärmlichen Township verwirklicht seinen Lebenstraum.

Über den feinen Sand am südafrikanischen Westkap weht die fröhliche Melodie einer Penny Whistle. Diese zierliche Flöte mit ihrem hellen Klang spielt der 13-jährige Felix, begleitet wird er von zwei Jungs auf einer Handtrommel und einer abenteuerlich anmutenden, selbstgebauten Gitarre. Die wenigen Zuhörer*innen sind von der Musik begeistert, denn Felix ist ein wahres Naturtalent. In seiner kindlichen Mischung aus Stolz und Spielfreude ruft er von einer Düne herab: „Felix ist der König!“

Der musikalische Ausflug ans Meer ist ein Stück Lebensqualität für Felix, der mit seiner Mutter und zwei jüngeren Geschwistern im Township Langa lebt. Langa liegt 15 Kilometer von Kapstadt entfernt und ist eines der ältesten südafrikanischen Townships, gebaut für Schwarze schon bevor es das Apartheid-System gab, mit dem Politiker einst die Menschen in Südafrika in „Rassen“ einteilten und behaupteten, sie seien unterschiedlich viel wert. Seit 1992 gibt es zwar keine Apartheidpolitik mehr, Langa aber gibt es ebenso noch wie viele andere Townships. Auch gibt es immer noch viele rassistische Vorurteile und Formen von Ausgrenzung. Die besten Schulen, Ausbildungsplätze und Arbeitsstellen sind zwar nicht länger Weißen vorbehalten, doch für Township-Bewohner*innen ist es nahezu unmöglich, einen Platz an einer teuren Privatschule zu bekommen. Felix aber hat Glück: Seine verwitwete Mutter putzt das noble Haus eines liebenswürdigen, reichen älteren Herrn, der einflussreicher Mäzen einer Privatschule ist. Dort prüft man seine Empfehlung, äußert zwar Bedenken, erkennt aber Felix‘ außerordentliche schulische Talente an – und bewilligt ihm ein Stipendium. Seine Freude ist riesig, doch schon der erste Schultag ist ernüchternd: Mit aller Wucht erfährt Felix die Verachtung und Häme einiger weißer Mitschüler, die sich als etwas Besseres ansehen. Drei Buchstaben machen die Runde: „NuK“, nicht unsere Klasse.

Wie sich Felix mutig und zunehmend selbstbewusst gegen alle Widrigkeiten durchsetzt, wie er Verbündete und Freund*innen und seinen Platz vor allem dank seiner ungebremsten Leidenschaft für Musik findet, das wird mit geradezu mitreißender Energie erzählt. Von Ferne erinnert das an den britischen Film „Billy Elliot – I Will Dance“ (Stephen Daldry, 2000), in dem für einen Jungen aus ärmlichen Lebensverhältnissen sein Traum vom Tanzen wahr wurde. Vielleicht orientierte man sich tatsächlich ein wenig daran, denn auch „Felix“ vertraut zuallererst auf die heilende und verbindende Kraft der Gefühle, durch die Menschen einsichtiger werden. Dafür vernachlässigt er eine genauere Beschreibung der Lebensumstände in Südafrika, vermittelt etwa nur das Nötigste über die Apartheid, um zu sagen, dass es hierbei um eine Form von Ungerechtigkeit geht, die es vergleichbar überall auf der Welt gibt. Dass gerade in Südafrika die Sprachen die Menschen voneinander trennen, klingt zwar an, wird aber ebenso wenig vertieft (und durch die deutsche Synchronisation sogar noch eingeebnet). Afrikaans und IsiXhosa sind in der Gemeinde Kapstadt die am meisten verbreiteten Sprachen, während Weiße häufig Englisch sprechen, oft auch als Ausdruck ihres Elitedenkens. Manchmal unterhalten sich Felix und seine Freunde über die Besonderheiten ihrer jeweiligen Sprache und zeigen damit aufrichtig Respekt und Interesse an den Wurzeln des Anderen.

Auch die für den Film wichtige Musik bleibt eher allgemein. Dabei ist gerade der so genannte Cape Jazz etwas ganz Besonderes, weil er tief in der Musiktradition Südafrikas, vor allem dem Marabi, verwurzelt ist und sie mit den grandiosen Ausdrucksmöglichkeiten der freien Improvisation verbindet. Im Film geht es mehr um die fröhlichen und lebensfrohen Jazz-Klänge im Stil früherer Straßenparaden, die dank Felix dem „weißen“ Big-Band-Swing des Schul-Jazz ihre besondere Würze geben. Gleichzeitig aber offenbart die Geschichte von Felix‘ verstorbenem Vater, dass der Cape Jazz in Südafrika ein wichtiges Stück kultureller Identität ist. Felix entdeckt eines Tages das Saxofon seines Vaters, das seine Mutter versteckt hat, weil es in ihren Augen für die schlechten Seiten der Musik steht: für Unordnung und Unzuverlässigkeit, für Chaos und Alkoholexzesse. Felix setzt sich ihr gegenüber durch, wechselt von der Penny Whistle zu Vaters Saxofon, das er bald ebenso virtuos beherrscht wie sein Vater, der in den 1980er-Jahren mit der „Bozza Band“ riesige Erfolge feierte. Einige der alten Musiker werden Felix‘ Lehrmeister, doch das gegen den Willen seiner verbitterten Mutter.

Spätestens in diesem tiefen Konflikt finden alle Fäden zusammen: So allgemein der Film auch bleibt, so vehement setzt er sich für eine Aussöhnung in Felix’ Familie ein, und es ist zutiefst anrührend zu verfolgen, wie Felix für die Musik seines Vaters kämpft und zugleich um die Liebe seiner Mutter ringt. Dabei geht es am Ende noch um mehr: nämlich um die Hoffnung, dass sich ein ganzes Land aussöhnen könnte, indem es seine Sicht- und Denkweisen hinterfragt. Wer weiß: Vielleicht hat Musik tatsächlich die Fähigkeit, die Menschen zusammenzubringen und als verbindende Kraft einem positiven sozialen Wandel zu dienen, sodass alle am Ende Felix zu Recht feiern, wenn sie rufen: „Felix ist der König!“

Horst Peter Koll

 

© KiKA
8+
Spielfilm

Felix - Südafrika 2013, Regie: Roberta Durrant, Homevideostart: 15.08.2020, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 8 Jahren, Laufzeit: 94 Min. Buch: Shirley Johnston. Kamera: Natalie Haarhoff. Musik: Murray Anderson. Schnitt: Maryke Kruger. Produktion: Penguin Fims/Roberta Durrant. Verleih: offen. Darsteller*innen: Hlayani Junior Mabasa (Felix Xaba), Linda Sokhulu (Lindiwe Xaba), Thapelo Mofokeng (Bra Joe), Royston Stoffels (Fingers Fortuin), Andre Jacobs (Angus Murray), Janet Suzman (Mrs. Cartwright) u. a

Felix - Felix -