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Bibi & Tina – Die Serie

Auf Amazon Prime: Die Serie ist ein Ponyhof. Hexhex und alles wird gut bei Bibi und Tina. So einfach geht das.

Es gibt einiges, was Detlev Buck mit seiner „Bibi und Tina‟-Reihe (2014 bis 2017) geleistet hat: Die Realfilme hatten vom ersten Augenblick an eine große Ironie, die kurioserweise gut zu dem idyllischen Mädchenfreundschaft-Pferdegeschichte-Hexenabenteuer-Potpourri gepasst und dieses auf ganz eigene Art auch weiterentwickelt hat. Vor allem hat Buck mit seiner anarchischen Lust an der Absurdität und der Übertreibung den biederen Ernst der Hörbuch- und Zeichentrickvorlage aufgebrochen und generationenübergreifend konsumierbar gemacht – eingängige Popsongs inklusive, die in den bislang vier Filmen im besten Fall in verspielt inszenierte, videoclipartige Musicalnummern übertragen wurden. Wenngleich insbesondere im ersten Film durchaus harsche Kritik an dem teils voyeuristischen Blick auf die jungen Darstellerinnen berechtigt ist und auch der Umgang mit Stereotypen manchmal zu Tiefpunkten geführt hat, hat Buck das Franchise neu erfunden und belebt. Nach einem Austausch der bisherigen Darsteller*innenriege geht es nun in bewährter Manier in Serie. Dass Detlev Buck, der gemeinsam mit David Gruschka als Regisseur aufgeführt wird, nur zeitweise am Set war, ist dabei allerdings deutlich zu spüren. Aus dem Konzept der Filmreihe ist eine leere Hülle geworden, die Erfolgsformeln gehen nicht mehr auf.

Für die erste Irritation sorgt die Einbindung des Popsongs „36 Grad‟ von Zweiraumwohnung, den die Junghexe Bibi gemeinsam mit ihrer besten Freundin Tina zu Beginn der Sommerferien trällert. „Hier Jungs, da Girls/weiter weiter weiter/gebt alles und mehr als ihr könnt/keiner weiß, was gleich passiert/doch jeder weiß hier, das ist die Luft, die brennt‟, heißt es darin. Ein krasser Widerspruch zwischen bewusst anzüglichem, sommerlich-leichtem Flirt-Text und der unschuldigen Ponyhof-Welt, in der ein paar verstohlene Blicke und Eifersüchteleien das höchste der Gefühle sind. Aus dem Mund eines etwa dreizehnjährigen Mädchens klingt das eher unangenehm. Thematisch allerdings wird damit durchaus der Weg bereitet: Die Pferdegeschichten, eigentlich ein Hauptbestandteil der „Bibi und Tina‟-Welt, sind in der Serie auf der Strecke geblieben. Einmal abgesehen von dem ziemlich trashig geratenen Vorspann spielen Sabrina und Amadeus, die Lieblingspferde von Bibi und Tina, kaum eine Rolle. Stattdessen taucht ein adeliger Teenager aus Spanien auf dem Hof von Tinas Mutter auf und verdreht Bibi den Kopf und der Grafensohn Alex bekommt Stress mit seiner eifersüchtigen Freundin Tina. Kurzum: Es geht ziemlich viel um die Schmetterlinge im Bauch.

Weil die Serie aber offenbar die gesamte Altersgruppe der Grundschule (und darüber hinaus) bedienen will – von den hexenbeigeisterten jüngeren Kindern bis hin zu jenen, die bereits die zaghaften Film-Küsse mit wachsendem Interesse verfolgen –, bleibt die Handlung trotzdem unentschlossen. Auf der einen Seite gibt es ein paar komische Zaubersprüche, die etwa dazu führen, dass Bibi für kurze Zeit eine Schweinsnase im Gesicht trägt, auf der anderen die jugendliche Liebesgeschichten, die Suche eines Teenagers nach seinem Vater sowie eine Öko-Intrige: Eine Geschäftsfrau aus Asien wickelt die Bewohner*innen des Martinshofs um den Finger, um an den wertvollen Kies unter den Feldern zu kommen – natürlich ohne jegliche Rücksicht auf Nachhaltigkeit.

Es ist schon erstaunlich, wie wenig die Serie mit ihren zehn, jeweils etwa 25-minütigen Episoden zu erzählen hat. Langsam schleppt sich die Handlung vor sich hin, schweift dabei ab und unterhält dennoch nicht. Ganz im Geiste der Hörspiele folgt sie dem Credo des Immergleichen: Nichts darf sich verändern. Bibi und Tina machen keine Entwicklung, Familien werden nicht erweitert, der Martinshof bleibt, wie er ist – obwohl doch Serien ideal dafür wären, Geschichten und Figuren weiterzuschreiben. So verpuffen alle „Gefährdungen‟ der bestehenden Ordnung quasi von Anfang an. Der Spanier Chico fühlt sich besonders mit der Familie von Graf Falco verbunden? Kann nicht sein. Der Niedergang des Martinshofs droht? Wird nicht passieren. Tina und Alex werden sich trennen? Auf gar keinen Fall.

Annähernd aktuell werden die meist belanglosen Plots der einzelnen Episoden dann höchstens durch den Auftritt zweier selbstverliebter Influencerinnen oder des von Beginn an bestimmenden Umweltthemas. Erst versiegt ein Brunnen auf dem Martinshof, dann fegt ein Sturm über diesen hinweg und schließlich folgen geldgierige Heuschrecken in Form skrupelloser Geschäftsleute. Aber auch dieses Thema bleibt seicht wie eine Pfütze; Gedankenanstöße sind unerwünscht in dieser Welt, in der jede Episode auf ein austauschbares, meist schlecht synchronisiertes und visuell uninteressant in Szene gesetztes Vocoder-Pop-Liedchen hinarbeitet. Was ist nur aus der kreativen Energie der Filme in dieser Hinsicht geworden?

Und auch sonst: Wie hier Menschen unterschiedlicher Herkunft inszeniert werden, ist auch ohne politisch korrekten Zeigefinger eine ziemliche Katastrophe. Könnte man zu Beginn den gruseligen pseudospanischen Akzent von Chico noch als Buck‘schen Humor verstehen und als Farce wahrnehmen, so stellt sich leider bald heraus, dass der Film dessen spanische Herkunft tatsächlich ernst nimmt. Und die leuchtend gelb gekleidete geldgierige Asiatin, deren Name chinesisch anmutet, die aber japanisch spricht, aktualisiert dann auch vielmehr rassistische Klischees und tritt damit in ein riesiges Fettnäpfchen. Dass Kinder diese Zusammenhänge nicht verstehen, spielt keine Rolle: Entscheidend ist, dass die Serie auf diese Weise unterschwellig Klischees reproduziert und sogar zum tragenden Teil einer Handlung macht – und die nehmen Kinder sehr wohl und ganz ohne Ironie auf.

Wenn in den letzten Serienminuten dann noch ein überraschender Cliffhanger eingebaut wird, wird das Happy End zur Drohung. Wir kommen wieder, lächeln Bibi und Tina in die Kamera.

Stefan Stiletto

© 2020 Amazon.com Inc., or its affiliates
9+
Spielfilm

Bibi & Tina – Die Serie - Deutschland 2020, Regie: Detlev Buck, David Gruschka, Homevideostart: 03.04.2020, FSK: keine FSK-Prüfung, Empfehlung: ab 9 Jahren, Laufzeit: 251 Minuten, 10 Folgen. Buch: Bettina Börgerding (Head Writer), Viktoria Assenov, Detlev Buck. Kamera: Georg Duli Diemannsberger. Musik: Peter Plate, Ulf Leo Sommer. Schnitt: Dirk Grau, Zoë Dahmen, Maria Gans. Produktion: Detlev Buck, Kirstin Wille, Christoph Daniel, Marc Schmidheiny, Sonja Schmitt. Verfügbarkeit: Amazon Prime Video. Darsteller*innen: Katharina Hirschberg (Bibi), Harriet Herbig-Matten (Tina), Franziska Weisz (Susanne Martin), Richard Kreutz (Holger), Benjamin Weygand (Alex) u. a.

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