Kritiken > Filmkritik
Kritiken > Ergebnis der erweiterten Suche > Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar

Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar

Auf einmal kann Sue sich unsichtbar machen: Ein durchgestylter Superheldinnenfilm für Kinder.

Als weltbekannte Wissenschaftlerin ist Sues Mutter nicht wirklich viel zuhause, aber das hält Sue und ihren Vater nicht davon ab, der Mutter zum Geburtstag eine Torte ins Labor zu bringen. Eine Idee mit Folgen, denn dort kommt es zu einer Explosion – und Sue kommt mit der Substanz „NT26D“ in Kontakt, an der ihre Mutter forscht. Am nächsten Morgen wacht Sue auf, bis auf einen Kratzer unverletzt, erbricht sich erst einmal in ihren Schulrucksack und stellt dann im natürlich ungünstigsten Moment fest, dass sie manchmal unsichtbar wird.

„Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar“ stellt sich sehr offensiv in die Tradition der Superheld*innen-Filme der vergangenen Jahre. Markus Dietrichs Film beginnt mit dem Verweis auf eine (fiktive) Comicfigur und hakt dann relativ rasch alle Standard-Ingredienzien des Genres ab: Eine geheimnisvolle neue Technologie, ein paar Bösewichte auf der Jagd nach der Weltherrschaft, die Sues Mutter entführen, und eine pubertierende Hauptfigur, die mit ihren körperlichen Veränderungen zunächst hadern muss. „Spider-Man“, vor allem in seiner Inkarnation durch Sam Raimi (2002), lässt schön grüßen.

Wobei Dietrich das alles glücklicherweise nicht allzu ernst nimmt und der Geschichte ironische, gar leichtfüßige Momente gönnt: „Du bist gestern einfach verschwunden.“ – „Ja passiert gerade… öfter.“ Sue begreift relativ schnell, wie sie ihre neue Fähigkeit kontrollieren kann, und dank zweier gleichaltriger Sidekicks ist sie bald nicht mehr allein. Tobi ist ein hübscher, etwas unbedarfter Junge, der begnadet Fahrrad fahren kann, und Kaya, „App“ genannt, ist Technik- und Computerspezialistin.

So sehr der Film auch auf bekannte Genre-Konventionen zurückgreifen mag: Ohne großes Gewese dreht Dietrich, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, die üblichen Geschlechterverhältnisse um und besetzt alle zentralen Rollen mit Mädchen und Frauen: Die Heldin, die Nerd, die Wissenschaftlerin – und auch auf der Seite der (vermeintlichen oder echten) Antagonist*innen sind starke Frauen dabei.

Dietrich hatte 2013 mit „Sputnik“ den Mauerfall in eine leicht fantastisch angehauchte Geschichte auf Kinderaugenhöhe übertragen; diese Transponierung gelingt ihm im Großen und Ganzen auch bei „Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar“, nur traut er in manchen Dingen seinem Publikum nicht genug zu. Denn die geheimnisvollen Unbekannten, die im Hintergrund die Fäden ziehen, werden zwar erst spät offenbart, aber schon sehr früh wird ein überdeutlicher Hinweis wortwörtlich ins Bild geschoben.

Das ist vor allem deshalb schade, weil der Regisseur sein Publikum sonst gekonnt mit zahlreichen „Easter Eggs“ und Anspielungen auf andere Filme umschmeichelt (nicht die geringste ist die Verpflichtung von Jürgen Thormann, Synchronsprecher von Michael Caine, für den virtuellen Butler „Alfred“) und seiner zunehmend selbstbewussten Heldin nicht nur ein schickes Outfit, sondern auch ein paar coole Sprüche verpasst. Natürlich entwickelt sich Sue von reinem Entsetzen über sich selbst und ihre Körperlichkeit („Ich bin ein Monster, ein Freak!“) ein paar Schritte hin zu erstem Herzklopfen mit dem treuen Tobi. Und am Ende des Films steht die Superheldin Invisible Sue sogar vor einem richtigen moralischen Dilemma – und muss eine selbstlose Entscheidung treffen.

Nicht alles ist ganz stimmig: Die Sets – vor allem die an ein Schloss erinnernde Schule – wirken manchmal ein wenig zu grandios, die Ästhetik eifert manchmal doch etwas zu bemüht den großen Vorbildern aus Hollywood nach, und die vermeintlich wissenschaftlichen Erklärungen sind natürlich ebenso unrealistisch wie manche der Technikgadgets; aber freilich erwartet niemand von Superheld*innen-Filmen besonders großen Realismus. Dietrichs Inszenierung schwächelt jedoch durch einige Anschlussfehler, und die jugendlichen Darsteller*innen müssen doch zu oft „krass!“ ausrufen als wirklich überzeugend wäre.

Das ist schade, weil „Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar“ sich andererseits einfach mal traut, dieses Genre in kindertaugliche Form zu bringen – im Grunde ist überraschend, dass das seit dem etwas stimmigeren dänischen „Antboy – Der Biss der Ameise“ (Ask Hasselbalch, 2013) und seinen Fortsetzungen kein europäischer Regisseur mehr ernsthaft versucht hat. Und wie schön, dass sich hier ganz selbstverständlich ein Mädchen in Hoodie und Jeans gegen das Böse stellen darf – bei Marvel mussten wir zehn Jahre darauf warten.

Rochus Wolff

© farbfilm
9+
Spielfilm

Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar - Deutschland, Luxemburg 2018, Regie: Markus Dietrich, Kinostart: 31.10.2019, FSK: ab 6, Empfehlung: ab 9 Jahren, Laufzeit: 93 Min. Buch: Markus Dietrich. Kamera: Ralf Noack. Musik: André Dziezuk. Schnitt: Sebastian Thümler. Produktion: Marcel Lenz, Guido Schwab. Verleih: farbfilm. Darsteller*innen: Ruby M. Lichtenberg (Sue Hartmann), Lui Eckardt (Tobi Grimm), Anna Shirin Habedank (Kaya Wells/App), Victoria Mayer (Maria Hartmann), Jeanne Werner (Lenia Romanowa) u. a.

Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar - Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar - Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar - Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar - Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar - Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar -

Ergebnis der erweiterten Suche

» Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar